
Peer Gynt
— von Henrik Ibsen
— Premiere im Januar 2024 — Schauspielhaus, Großes Haus — Schauspiel
— Gefördert durch den Fonds Zero der Kulturstiftung des Bundes
Der Zwiebel Kern — Regisseurin Bernadette Sonnenbichler über den Prototyp Peer Gynt und einen besonderen Modellversuch
Die Fragen stellte Dramaturg David Benjamin Brückel
Peer Gynt ist ein Geschichtenerzähler und Träumer, aber auch ein Lügner und Manipulator. Er stürzt sich von einem Abenteuer ins nächste und probiert verschiedene Identitäten aus. Auf einer langen Welt- und Seelenreise, die ihn vom norwegischen Gudbrandstal in entlegene Wüsten und am Ende seines Lebens wieder zurück nach Hause führt, begegnet er unzähligen anderen Menschen, aber nie sich selbst.
Wie blicken Sie auf die Figur Peer Gynt?
Peer Gynt ist ein Mensch auf der Suche nach oder auf der Flucht vor sich selbst. Henrik Ibsen hat – seiner Zeit weit voraus – so etwas wie den Prototyp des modernen Menschen geschaffen. Jemanden, der versucht, in der Welt Sinn und Halt zu finden und bei sich anzukommen. Wobei generell fraglich ist, was dieses Bei-sich-Ankommen überhaupt bedeutet. Ein gültiges, konstantes Ich gibt es meiner Meinung nach nicht. Der Mensch ist ein soziales Wesen, das nur durch Beziehungen existiert. Wir brauchen ein Gegenüber, um uns selbst zu definieren. Je nachdem mit welchem Menschen wir zusammen sind oder in welchem Kontext wir uns befinden, variiert die Vorstellung vom eigenen Ich. Es gibt da diese wunderbare Szene: Als Peer kurz vor dem Ende seines Lebens eine Zwiebel schält, erkennt er, dass er wie die Zwiebel viele Schichten hat, aber keinen Kern.
Die menschliche Existenz ist also sinnlos? Wie traurig!
Der Kern der Zwiebel könnte in einer echten Begegnung liegen, z. B. in der Liebe. Vor ihr läuft Peer Gynt aber davon. Deshalb kommt er nie irgendwo an. – Zu Beginn rennt Peer Gynt in die Berge, um ein Rentier zu jagen. Er versucht, es zu bändigen und stürzt mit ihm in die Tiefe einer Schlucht. Das Rentier entwischt. Darin erkenne ich eine Allegorie auf Peer Gynts gesamtes Verhältnis zur Welt.
Das Stück nimmt Elemente des Symbolismus, des Expressionismus und des absurden Theaters vorweg. Und wirkt streckenweise doch realistisch. Was interessiert Sie an dieser Mischung?
Ich mag es, mich mit Figuren, die eine nachvollziehbare psychologische Geschichte haben, in märchenhafte und surreale Welten zu begeben, so wie mit Peer Gynt, der zeitweilig meint, in der Welt der Trolle ein Zuhause gefunden zu haben. Es kann ein lustvoller Vorgang sein, solche Welten, die oft Innenwelten sind, gemeinsam mit den Schauspieler:innen zu kreieren. Theater ist ein wunderbarer Ort, um innere Landschaften zu markieren.
Wie gehen Sie dabei vor?
Der Körper ist für mich ein Schlüssel zur Welt. Mich interessieren zunehmend physische Vorgänge auf der Bühne, also alles, was über den Realismus alltäglicher körperlicher Verrichtungen hinausgeht. Konflikte beispielsweise lassen sich über eine körperliche Herangehensweise in einer anderen Tiefe erzählen, als es die gesprochene Sprache vermag. Zwei Körper, die sich zueinander im Raum verhalten, erzählen bereits eine Geschichte. Dazu braucht es keine Worte. Das Theater ist als Ort unmittelbarer Präsenz und Gegenwart besonders gut dazu geeignet.
Die Inszenierung wird durch die Kulturstiftung des Bundes im Fonds Zero gefördert. Mit diesem Programm werden Kultureinrichtungen darin unterstützt, klimaneutrale Produktionsformen und neue, nachhaltige Ästhetiken zu erproben. Was bedeutet das für Sie, Ihr Team und das Düsseldorfer Schauspielhaus?
Für die Kunstfreiheit bedeutet es keinerlei Einschränkung. In der praktischen Umsetzung wird diese Produktion ein Modellversuch innerhalb eines größeren Förderprogramms der Kulturstiftung des Bundes sein. Durch den Fonds Zero können wir für das gesamte Haus eine Klimabilanz erstellen lassen. Das ist wichtig, weil wir erst dann wirklich wissen, wo die großen CO2-Belastungen liegen. Nicht zuletzt ist die Mobilität der Zuschauer:innen ein bedeutender Faktor. Es lohnt sich also, wenn sie mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln ins Theater kommen. Die Fragen, die speziell an uns als Versuch einer klimaneutralen Produktion gestellt werden, finde ich total interessant: Welche Materialien können wir verwenden, wo kommen sie her und unter welchen Voraussetzungen wurden sie hergestellt? Wie vermeiden wir unnötige Versandwege? Vielleicht kommen wir auf diese Weise sogar zu künstlerischen Innovationen – das wäre doch spannend!
Bernadette Sonnenbichler ist als Oberspielleiterin Teil der künstlerischen Leitung und gestaltet das Profil des Düsseldorfer Schauspielhauses mit. Zuletzt inszenierte sie »Der gute Mensch von Sezuan« von Bertolt Brecht und die Uraufführung »My Private Jesus« von Lea Ruckpaul.
Wie blicken Sie auf die Figur Peer Gynt?
Peer Gynt ist ein Mensch auf der Suche nach oder auf der Flucht vor sich selbst. Henrik Ibsen hat – seiner Zeit weit voraus – so etwas wie den Prototyp des modernen Menschen geschaffen. Jemanden, der versucht, in der Welt Sinn und Halt zu finden und bei sich anzukommen. Wobei generell fraglich ist, was dieses Bei-sich-Ankommen überhaupt bedeutet. Ein gültiges, konstantes Ich gibt es meiner Meinung nach nicht. Der Mensch ist ein soziales Wesen, das nur durch Beziehungen existiert. Wir brauchen ein Gegenüber, um uns selbst zu definieren. Je nachdem mit welchem Menschen wir zusammen sind oder in welchem Kontext wir uns befinden, variiert die Vorstellung vom eigenen Ich. Es gibt da diese wunderbare Szene: Als Peer kurz vor dem Ende seines Lebens eine Zwiebel schält, erkennt er, dass er wie die Zwiebel viele Schichten hat, aber keinen Kern.
Die menschliche Existenz ist also sinnlos? Wie traurig!
Der Kern der Zwiebel könnte in einer echten Begegnung liegen, z. B. in der Liebe. Vor ihr läuft Peer Gynt aber davon. Deshalb kommt er nie irgendwo an. – Zu Beginn rennt Peer Gynt in die Berge, um ein Rentier zu jagen. Er versucht, es zu bändigen und stürzt mit ihm in die Tiefe einer Schlucht. Das Rentier entwischt. Darin erkenne ich eine Allegorie auf Peer Gynts gesamtes Verhältnis zur Welt.
Das Stück nimmt Elemente des Symbolismus, des Expressionismus und des absurden Theaters vorweg. Und wirkt streckenweise doch realistisch. Was interessiert Sie an dieser Mischung?
Ich mag es, mich mit Figuren, die eine nachvollziehbare psychologische Geschichte haben, in märchenhafte und surreale Welten zu begeben, so wie mit Peer Gynt, der zeitweilig meint, in der Welt der Trolle ein Zuhause gefunden zu haben. Es kann ein lustvoller Vorgang sein, solche Welten, die oft Innenwelten sind, gemeinsam mit den Schauspieler:innen zu kreieren. Theater ist ein wunderbarer Ort, um innere Landschaften zu markieren.
Wie gehen Sie dabei vor?
Der Körper ist für mich ein Schlüssel zur Welt. Mich interessieren zunehmend physische Vorgänge auf der Bühne, also alles, was über den Realismus alltäglicher körperlicher Verrichtungen hinausgeht. Konflikte beispielsweise lassen sich über eine körperliche Herangehensweise in einer anderen Tiefe erzählen, als es die gesprochene Sprache vermag. Zwei Körper, die sich zueinander im Raum verhalten, erzählen bereits eine Geschichte. Dazu braucht es keine Worte. Das Theater ist als Ort unmittelbarer Präsenz und Gegenwart besonders gut dazu geeignet.
Die Inszenierung wird durch die Kulturstiftung des Bundes im Fonds Zero gefördert. Mit diesem Programm werden Kultureinrichtungen darin unterstützt, klimaneutrale Produktionsformen und neue, nachhaltige Ästhetiken zu erproben. Was bedeutet das für Sie, Ihr Team und das Düsseldorfer Schauspielhaus?
Für die Kunstfreiheit bedeutet es keinerlei Einschränkung. In der praktischen Umsetzung wird diese Produktion ein Modellversuch innerhalb eines größeren Förderprogramms der Kulturstiftung des Bundes sein. Durch den Fonds Zero können wir für das gesamte Haus eine Klimabilanz erstellen lassen. Das ist wichtig, weil wir erst dann wirklich wissen, wo die großen CO2-Belastungen liegen. Nicht zuletzt ist die Mobilität der Zuschauer:innen ein bedeutender Faktor. Es lohnt sich also, wenn sie mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln ins Theater kommen. Die Fragen, die speziell an uns als Versuch einer klimaneutralen Produktion gestellt werden, finde ich total interessant: Welche Materialien können wir verwenden, wo kommen sie her und unter welchen Voraussetzungen wurden sie hergestellt? Wie vermeiden wir unnötige Versandwege? Vielleicht kommen wir auf diese Weise sogar zu künstlerischen Innovationen – das wäre doch spannend!
Bernadette Sonnenbichler ist als Oberspielleiterin Teil der künstlerischen Leitung und gestaltet das Profil des Düsseldorfer Schauspielhauses mit. Zuletzt inszenierte sie »Der gute Mensch von Sezuan« von Bertolt Brecht und die Uraufführung »My Private Jesus« von Lea Ruckpaul.