Über Theater, Ekstase & die Corona-Krise
Ich finde es wichtig, dass das, was ich zeige, über eine universale Sprache verfügt, die jede*r fühlen und an die jede*r anknüpfen kann. Das, was ich kreiere, ist weder Tanz, noch Pantomime, noch Schauspiel. Es ist etwas, das diese Welten miteinander verbindet. Ich vertraue darauf, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die meine Inszenierungen sehen, lernen, ihrer Intuition zu vertrauen. Möglicherweise können sie dir nach der Vorstellung, wenn du sie danach fragen würdest, keine logische Geschichte erzählen. Aber das ist auch nicht entscheidend für mich. Im Laufe der Jahre habe ich eine Art von Theater entwickelt, für das Logik, Text oder Story nicht immer wesentlich sind. Mir würde es viel besser gefallen, wenn ein Kind auf die Frage, was es gesehen hat, eine Szene nennen würde, mit der es sich verbunden fühlte. Ich versuche, Hoffnung, Trost und Vertrauen zu geben, sodass man das, was man auf der Bühne sieht, egal wie kompliziert es sein mag, wiedererkennt und denkt: »Oh, Mann, ich kenne das so gut!«, sodass man als Kind, als Jugendliche*r oder als Erwachsene*r das Gefühl bekommt, nicht alleine zu sein. — Regisseur Gregory Caers
Aus soziologischer Sicht gilt es festzuhalten, dass es ja nicht nur Einzelne sind, die den Rausch suchen. Vielmehr sind es Gesellschaften, die selbst die Gelegenheiten für Feste und Feierlichkeiten schaffen, um damit den Zusammenhalt in der Bevölkerung zu stärken. Insofern sind Rausch und Ekstase bis zu einem gewissen Grad ja durchaus gewollt und nicht etwa von Haus aus subversiv. Beim Einzelnen spielt die Motivation eine große Rolle, dem eigenen Ich entfliehen zu wollen – und sei es auch nur für einen Moment. Drogen, die so alt sind wie die Menschheit selbst, versprechen uns den Zugang zu anderen Welten – einen Ausbruch aus der schnöden Realität, die gespickt ist mit Stress, Routinen und Erwartungshaltungen. Weil unser Alltag anstrengend ist und wir nicht darauf festgelegt werden wollen, ein vernünftiges, leistungsorientiertes Individuum zu sein, suchen wir Ventile, um aus dem funktionierenden System auszubrechen. Diese archaischen Ursprünge lassen sich nicht gänzlich durch Zivilisationsprozesse zurückschrauben – nicht einmal durch Gesetze. Der beste Rausch ist deshalb der, bei dem ich eine Gemeinschaftserfahrung mache und gleichzeitig kein kontrolliertes Über-Ich mehr spüre, das mir sagt: Reiß dich am Riemen! — Soziologe Prof. Dr. Markus Schroer
Die Corona-Krise wirkte von Anfang an als ›Kontrastmittel‹, das mit den Worten der Autorin Carolin Emcke gesprochen »sichtbar macht, was in unseren Gesellschaften fehlt, was wir fahrlässig geschwächt haben, welche Ungleichheiten toleriert, wem Anerkennung verweigert wurde und wem angemessener Lohn«. Unter Zugabe des viralen Kontrastmittels trat deutlich hervor, dass die so viel beschworene Solidarität keineswegs für alle gleichermaßen galt – und gilt. Ich notiere das mit der gebotenen Vorsicht. Selbstredend stimme ich zu, dass es notwendig ist, ein gefährliches Virus auch durch gemeinsame Anstrengungen zu bekämpfen, die bis zum demokratisch kontrollierten Verzicht auf Freiheitsrechte reichen können. Zugleich meine ich, dass wir angesichts des einzigartigen staatlichen Appells an die Solidarität die Frage stellen müssen, für wen derartige ungeheure Anstrengungen eigentlich unternommen werden. Und die schmerzhafte Antwort lautet: In jenen Monaten des Jahres 2020, in denen der Staat seinen Subjekten einen Weg in die solidarische Isolation wies, wurden wir alle zu Kompliz*innen eines Systems, das manche Menschen verrecken lässt und andere nicht. — Lyriker und Publizist Max Czollek
Besetzung
MitLito Anastasopoulou/Nora Pfahl, Ali Aykar, Felicia Chin-Malenski, Natalie Hanslik, Eduard Lind, Fatih Kösoğlu
RegieGregory Caers
Bühne / KostümMartina Lebert
ChoreografieLito Anastasopoulou
DramaturgieDavid Benjamin Brückel
TheaterpädagogikLama Ali
Dauer
1 Sunde, 15 Minuten — keine Pause
Biparcours – »Rausch«
Ab der Spielzeit 2020/21 gibt es die Möglichkeit, den Theaterbesuch digital abzurunden. Zu jeder Inszenierung im Jungen Schauspiel entwickeln wir einen »Biparcours«. Es erwarten euch Quizfragen, Videoaufgaben, kreative Schreibaufgaben und natürlich spannende Informationen zur Inszenierung. Einfach die App »Biparcours«* für Smartphones und Tablets herunterladen und damit den QR-Code einscannen. Viel Spaß!
*Mit der App stellt der Bildungspartner NRW Schüler*innen und Lehrenden
kostenfrei ein interaktives multimediales Lernwerkzeug zur Verfügung.
*Mit der App stellt der Bildungspartner NRW Schüler*innen und Lehrenden
kostenfrei ein interaktives multimediales Lernwerkzeug zur Verfügung.
Dieses Projekt findet im Rahmen von Take-off: Junger Tanz. Düsseldorf statt, gefördert durch das Kulturamt der Landeshauptstadt Düsseldorf sowie das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW. Take-off: Junger Tanz ist eine Kooperation Düsseldorfer Kultur-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen unter der Gesamtleitung des tanzhaus nrw.