3sat Kulturdoku »Othello aus Südafrika – Shakespeare am Düsseldorfer Schauspielhaus«
Die südafrikanische Regisseurin Lara Foot legt in dieser Inszenierung den Fokus auf Othellos Innenleben, will so dem umstrittenen Stoff eine afrikanische Sichtweise hinzufügen. Sie hat das Stück mehrsprachig inszeniert. Sie verlegt das Stück in die Zeit des deutschen Kolonialismus, in die Zeit des Herero-Aufstandes, nach Deutsch-Südwestafrika, in das heutige Namibia. Sie will unseren Blick schärfen, zeigen, welche Schäden der Kolonialismus in der Seele der Menschen hinterlassen hat. Dafür steht dieser »Othello«. Eigene Wurzeln stärken. Eigene Traditionen hervorheben. Damit kann das Selbstbewusstsein der Kolonisierten gestärkt werden. Ihr Othello spricht daher die Bantu-Sprache isiXhosa. Die Muttersprache von Bongile Mantsai. Lara Foots Othello in Düsseldorf erhebt seine Stimme. Er weigert sich, das Bild des wilden Schwarzen zu erfüllen und steigt aus dieser Rolle aus. Shakespeares »Othello« – in Deutschland erhält er eine afrikanische Neuschreibung. In Düsseldorf hat man ihn dekolonisiert.
Rheinische Post
Das Premierenpublikum dankte ausdauernd für einen Abend, der sich aus Shakespeares überzeitlicher Menschenkenntnis ebenso speist wie aus klugem Empfinden für die Gegenwart.
Süddeutsche Zeitung
Bongile Mantsai ist ein beeindruckender, glamouröser Schauspieler, und Foot erfindet ihm zusätzliche Szenen, etwa beim Gebet oder beim meditativen Spiel auf einem Instrument, die den Militär (und Christen) in einer Art glanzvollen Isolation, fast Innigkeit zeigen.
Theater heute
Immer wieder fallen [Bongile Mantsais Othello] passende Sätze ein wie von Frantz Fanon, dem Theoretiker des antikolonialen Aufstands: »Schwarz ist kein Mensch. Die schwarze Seele ist ein Kunstprodukt des weißen Mannes.« Othello spricht meist Englisch, Shakespeares Original, selten Deutsch, aber je mehr sich die Beziehungskrise verschärft, spricht er immer öfter isiXhosa, Mantsais Muttersprache. In dem verbalen Gefecht mit Desdemona werden alle drei Sprachen vermischt. Auch Pauline Kästners kampfstarke Desdemona kann ihrem Mann in Xhosa Paroli bieten. Jago ist die Gegenfigur zu dieser vielfach gebrochenen, semi-authentischen Othello-Figur. Er ist der reine Bösewicht, ein Spieler aus Freude an der Bosheit. Wolfgang Michalek spielt mal wieder ein attraktives Ekel, einen gefährlichen Komiker. Lara Foot möchte die Inszenierung auch in Kapstadt zeigen. Für afrikanische Zuschauer*innen hofft sie dabei auf die Zurückgewinnung von »Würde und Heilung«, auch für europäische auf ein »Gefühl von Verbundensein und Heilung«. Heilung durch Dekolonisierung, das ist therapeutisches Theater.
Kölner Stadtanzeiger
Wenn am Schluss die schwebenden Steine lautstark zu Boden fallen, ist das Urteil gefällt: Black is not a person. Othello schon. Lara Foot und Bongile Mantsai haben ihn aus seinem eigenen Stück befreit. Ein kraftvoller, mitreißender Saisonauftakt in Düsseldorf.
Vom traditionellen Zugang profitieren zunächst Florian Langes herrlich stümperhafter Edelmann Rodrigo und vor allem Wolfgang Michaleks Fähnrich Jago, der das Publikum zu seinen Mitverschwörern macht und sich genüsslich in seiner Böshaftigkeit sonnt wie Richard III. Wie Michalek zwischen Rampensau, Puppenspieler und lebendig gewordener Kommentarspalte balanciert, ist jedenfalls schamloses und gleichermaßen kluges Theater. [...] Wenn am Schluss die schwebenden Steine lautstark zu Boden fallen, ist das Urteil gefällt: Black is not a person. Othello schon. Lara Foot und Bongile Mantsai haben ihn aus seinem eigenen Stück befreit. Ein kraftvoller, mitreißender Saisonauftakt in Düsseldorf.
mehr lesen
weniger lesen
nachtkritik
Der südafrikanischen Theatermacherin Lara Foot gelingt eine neue Perspektive auf Shakespeares Stück: Sie verlegt es in die Hochphase des europäischen Kolonialismus – mit einer Hauptfigur, die vor den Zuschreibungen ihrer Rolle von der Bühne flüchtet.
NRZ
Das Ensemble überzeugt, allen voran Bongile Mantsai, der den Titelhelden leise, aber glaubhaft spielt; ein frommer Mann, der Jago rückhaltlos vertraut und ihm deshalb in die Falle geht. Letzterer ist Wolfgang Michalek, der hier eher als schlitzohriger Komödiant mit reichlich Publikumskontakt agiert. Als seine Frau Emilia, Desdemonas Kammerfrau, bleibt Friederike Wagner als kluge Beobachterin im Gedächtnis. Selbstbewusst und kernig: Pauline Kästner in der Rolle der Desdemona. Im weiteren Verlauf des Abends, spätestens jedoch beim Lied von der Trauerweide, wird deutlich, dass auch viel Zartheit in ihr steckt. Lara Foot inszeniert gut durchdacht, konsequent und stilsicher.
Deutschlandfunk Kultur
Die Schlussszene ist sehr sehr schön. Gerhard Marx hat eine Bühne gebaut, auf der lauter Steine an Seilen vom Himmel hängen und Othello begräbt seine Desdemona und sich selber »bei meinem Volk«, damit wird nochmal deutlich gesagt, es kann eine afrikanische Geschichte sein, es ist in dem Fall eine Schwarze Geschichte.
Besetzung
OthelloBongile Mantsai
Brabantio, Desdemonas VaterBen Daniel Jöhnk
Cassio, Othellos LeutnantJonas Friedrich Leonhardi
Jago, Othellos FähnrichWolfgang Michalek
Rodrigo, ein EdelmannFlorian Lange
Der HerzogGunnar Teuber
LodovicoGlenn Goltz
MontanoValentin Stückl
SenatorNils David Bannert
DesdemonaPauline Kästner
Emilia, Jagos FrauFriederike Wagner
Bianca, Cassios GeliebteBlanka Winkler
RegieLara Foot
Bühne und KostümGerhard Marx
Mitarbeit KostümJuliane Molitor
MusikKyle Sheperd
LichtJean-Mario Bessière
DramaturgieRobert Koall
Mitarbeit DramaturgieMiriam Owusu-Tutu
Dauer
3 Stunden — eine Pause
3sat-Doku »Othello aus Südafrika – Shakespeare am Düsseldorfer Schauspielhaus«
— jetzt online in der Mediathek!
Filmemacherin Kerstin Edinger zeigt in einem 3sat-Dokumentarfilm spannende Einblicke in die »Othello«-Produktion – von ersten Proben bis zur Premiere in Düsseldorf. Darüber hinaus reist sie nach Südafrika, um dort gemeinsam mit Bongile Mantsai koloniale Spuren zu suchen. Im Film kommen unter anderem zu Wort Lara Foot (Regisseurin und Theaterleiterin Baxter Theater Kapstadt), Bongile Mantsai (Schauspieler), Susan Arndt (Professorin für Englische und Afrikanische Literatur, Universität Bayreuth), Shose Kessi (Professorin für Psychologie, Universität Kapstadt) und Jeremiah O. Arowosegbe (Professor für Asien- und Afrikawissenschaften, Humboldt-Universität Berlin). — jetzt online in der Mediathek!