Süddeutsche Zeitung
»Theater to go«, heißt die Antwort des Schauspielhauses Düsseldorf. Die Schauspieler(innen) des Ensembles reisen mit ihrem Stück zu Leuten, die nicht ständig im Theater sind: in Berufsschulen, ins Landgericht, in Psychiatrien, Kirchen und Gemeindesäle. »Faust (to go)«, die erste »mobile Inszenierung«, die Robert Lehniger 2017 entwickelt hat, wurde in nur einem Jahr unglaubliche 43 Mal gespielt. Vor Kurzem hatte Nummer zwei, ein beeindruckender »Nathan (to go)«, Premiere- und zwar gleich an drei Orten: in der Bunkerkirche der koptischen Christen im Bezirk Heerdt, beim Kreis der Düsseldorfer Muslime und im jüdischen Gemeindezentrum. [...]
Die ›to go‹-Inszenierungen funktionieren, sie können und sollen aber kein Stadttheater ersetzen. In Düsseldorf, wo die Sanierung des maroden Schauspielhauses sich weiter hinzieht, bieten sie die Chance, präsent zu bleiben und ein völlig anderes Publikum zu erreichen. Wie so viele neue, partizipative und vermittelnde Formate, die auch mit dem Generationenwechsel an vielen Theatern einhergehen, ist das nicht nur eine tolle Idee. Es ist genau genommen Pflicht. Theater sind demokratisch gewollte, subventionierte Kultureinrichtungen - und damit für alle da.
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WDR 5 Scala
Die Stärke dieser mobilen Inszenierung von Robert Lehniger ist, dass sie Lessings Argumentations- und Gedankendrama in einer klugen, straffen Zwei-Stunden-Fassung erstaunlich schnell in Fahrt bringt. Es wird bewegend, spannend und nimmt das Publikum spürbar gefangen, weil die Schauspieler klar artikulieren und die Gedankengänge der Verse messerscharf nachzeichnen, aber auch, weil sie ihren Figuren Ecken und Kanten geben.
An diesem Abend gewinnt der Theatermann gegen den Philosophen Lessing. Die Schauspieler machen die Brüche und Untertöne, und ganz besonders auch die ironischen und humoristischen Schlaglichter auf die Geschichte stark. [...] Selbst denken befreit und gesunder Menschenverstand genügt fast schon, um die Welt ein bisschen zu verbessern. Diese Botschaft verbreitet das Ensemble mit Feuer, Temperament und Überzeugungskraft.
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WDR 3 Mosaik
Einfallsreich konstruiert und auch nicht unaufwendig. Der Regisseur Robert Lehniger inszeniert sehr organisch, schafft schnelle Szenenwechsel, starke Bilder, eine dichte Atmosphäre, eine Mixtur von Theaterspiel und Video, ganz raffiniert gemacht.
Ich erlebe hier ein Stück, das vor 240 Jahren entstanden ist, ein Mitdenkstück, das mich aber trotzdem anfasst, mit klugen Worten einen sinnlichen Appell an Vernunft und Menschlichkeit und auch die Dialogbereitschaft rüberbringt. Das können wir heute sehr gut gebrauchen.
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Westdeutsche Zeitung
Das Publikum sitzt auf Kirchenbänken mit Decken auf den Knien und staunt über ein Bekenntnis zum Humanismus, das heutiger nicht sein könnte. Das sollen zwei Stunden gewesen sein? So geht gutes Theater.
Jan Maak, in schlecht sitzendem Anzug, das Haar nach hinten gegelt, ist ein fabelhafter Kerl mit Bauch, dem das Schicksal Fürchterliches bescherte, weswegen er sich jedoch nicht ins Bockshorn jagen ließ. Er haut dem Kindermädchen (herrlich gespielt von Claudia Hübbecker als verstrahlte Superchristin Daja) und dem trotzigen Tempelritter (Jonas Friedrich Leonhardi) seine edelmütigen Überzeugungen nur so um die Ohren. Maak rückt als Nathan nah an uns heran und man möchte beschämt die Augen senken, weil er ja so recht hat. Geschickt entzieht er sich jedem Versuch, ihn als Oberlehrer auf ein Podest zu stellen, weit weg, damit seine Ansprüche die eigene Bequemlichkeit gar nicht erst erreichen.
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Rheinische Post
Den Fünfakter auf eine mobile kleine Bühne und zweieinviertel Stunden zu reduzieren, ohne an Aussagekraft zu verlieren, gelingt dank des Mediums Video, das Regisseur Robert Lehniger wie kein zweiter zu einer eigenen Theatersprache ausbaut und wirkungsvoll dosiert.
Mit der Weite seiner Bilder erschließt er neue Räume und Ebenen, zoomt Wichtiges heran, zerlegt den Klassiker in Schlüsselszenen. In Short Cuts lässt er aus riesengroßen Gesichtern reden - ein Zweittext. Wenig Dekor. Starke Typen. In Nathans Haus: die angenommene Tochter (Cennet Rüya Voß) mit eigensinniger Kraft. Ihre Betreuerin ist Daja, die Claudia Hübbecker grantig-betschwesternhaft zeichnet. Der Sultan agiert so märchenhaft (Konstantin Lindhorst) wie seine Schwester (Florenze Schüssler), der junge Tempelherr glüht (Jonas F. Leonhardi), der Derwisch ist entrückt (Yascha F. Nolting), der Klosterbruder arg klösterlich (Markus Danzeisen), der Patriarch von Jerusalem, per Video eingespielt, von Andreas Grothgar wie ein Böser im Bond-Thriller ausgestattet. Alles dreht sich um Nathan. Dem Weisen nachspürend, gelingt es Jan Maak, die Welt auf sich zu beziehen, gelassen, gefühlig, gewaltig, elegant. Die Wucht der genialen Videobotschaften verstärkt das Spiel, zieht es ins Heute. Große Kunst.
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Hier & Jüdisch
Die moderne, gekürzte Inszenierung mit vorproduzierten und live eingespielten Videoszene zeigt deutlich, wie hochaktuell die Fragen des Ideendramas von Lessing sind.
Die ausgezeichneten Schauspieler sorgten für eine einzigartige und sehr empfehlenswerte Aufführung.
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Rheinische Post / Erkrath
Das gut zweistündige Reiseformat bringt vieles mit sich, was dem Stück, das im Jerusalem des 12. Jahrhunderts spielt, neuen Schwung verleiht, es ins Hier und Jetzt zieht und Theaterlust weckt: räumliche Verdichtung und schnelle Szenenwechsel (durch rasch auf- und zugezupfte, transparente Vorhänge), Nähe zum Publikum, Einbindung vor- wie liveproduzierter Videoaufnahmen.
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Besetzung
Sultan SaladinKonstantin Lindhorst
Sittah, dessen SchwesterJudith Bohle
Nathan, ein reicher Jude aus JerusalemJan Maak
Recha, dessen angenommene TochterCennet Rüya Voß
Daja, eine ChristinClaudia Hübbecker
Ein junger TempelherrJonas Friedrich Leonhardi
Ein DerwischValentin Stückl
Ein KlosterbruderMarkus Danzeisen
Der Patriarch von Jerusalem (im Video)Andreas Grothgar
Dauer
2 Stunden 15 Minuten — keine Pause