Minna von Barnhelm Pressestimmen
Rheinische Post
20.12.2021
Dynamisch. Kriegenburg stellt in seiner zeitlosen Inszenierung allgemeingültige Fragen. Vorzügliche Schauspieler.

Süddeutsche Zeitung
20.12.2021
Da Andreas Kriegenburg ein schlauer Regisseur ist, nimmt er die Moll-Töne ernst, ohne dabei die Komik zu vernachlässigen. Hochkomisch sind nicht nur die Auftritte des spillerigen, verknöcherten Wirts (Thomas Wittmann), des impulsiven Bedienten Just (Jonas Friedrich Leonhardi) oder des »gewesenen Wachtmeisters« Werner (Florian Lange), der sein Herz nun wahrhaftig auf dem rechten Fleck hat. Hochkomisch ist vor allem das Zusammenspiel von Minna (Minna Wündrich) und ihrem Mädchen Franziska (Lea Ruckpaul), die in einer herzlichen Komplizenschaft so agieren, wie man sie selten auf einer Bühne erlebt hat. Hier ist ein Theaterabend gelungen, der eine Reise nach Düsseldorf lohnt.
Was das Geschlechterverhältnis betrifft, ist Lessing seiner Zeit um ein paar Jahrhunderte voraus. Denn wenn es zutrifft, was Tellheim meint und Minna ausspricht, dass nämlich nur Gleichheit (im Glück oder im Unglück) die Basis der geglückten Liebe sein kann, dann gilt das in beide Richtungen. Also nicht nur der Mann darf von der Frau nicht abhängig sein, sondern umgekehrt auch die Frau nicht vom Mann. Um das ihrem Tellheim begreiflich zu machen, gaukelt Minna ihm eine Enterbungsgeschichte vor, mit der sie den Spieß umdreht und ihn auf ein paar Umwegen zur Räson bringt. Moderner geht es nicht. Man muss den Lessing-Text nicht »korrigieren«, man muss ihn nur genau lesen, seine Thesen begreifen und auf die Zwischentöne achten.

Da Andreas Kriegenburg ein schlauer Regisseur ist, nimmt er die Moll-Töne ernst, ohne dabei die Komik zu vernachlässigen. Hochkomisch sind nicht nur die Auftritte des spillerigen, verknöcherten Wirts (Thomas Wittmann), des impulsiven Bedienten Just (Jonas Friedrich Leonhardi) oder des »gewesenen Wachtmeisters« Werner (Florian Lange), der sein Herz nun wahrhaftig auf dem rechten Fleck hat. Hochkomisch ist vor allem das Zusammenspiel von Minna und ihrem Mädchen Franziska, die in einer herzlichen Komplizenschaft so agieren, wie man sie selten auf einer Bühne erlebt hat. Die fragilen Männerbündnisse, die man in dem Stück ja ebenfalls mit einem gewissen Wohlwollen zur Kenntnis nimmt, nehmen sich recht schwächlich aus verglichen mit dem Bündnis zweier kluger Frauen, die zwar nicht gesellschaftlich auf derselben Ebene stehen, sich aber so benehmen. Minna Wündrich als Minna flüchtet dabei immer wieder an den Rettungshaken der reinen Vernunft, während Lea Ruckpaul als Franziska sich einem förmlich explosiven Übermut anheimgibt und der Reihe ihrer modernen Frauenrollen ein weiteres Bravourstück hinzufügt.

Wolfgang Michalek hat es als Major von Tellheim in dieser Opposition nicht leicht. Er hat Statur, schon physisch, er kämpft, nicht aus Selbstmitleid oder Narzissmus, sondern aus Gründen, die man nach und nach besser begreift; am Ende, wenn er das »Lachen des Menschenhasses« (Minna) überwindet, wird der Mann immer sympathischer. Man versteht auch die Unbehaustheit, die Verlorenheit, die er empfindet – in Kriegenburgs Bühnenbild, das den Berliner Gasthof, in dem das Stück spielt, beiseiteräumt und durch eine chaotische Landschaft aus übereinandergetürmten, dabei allerdings warm beleuchteten Stühlen ersetzt. Hier ist ein Theaterabend gelungen, der eine Reise nach Düsseldorf lohnt.

Besetzung

Major von Tellheim, verabschiedetWolfgang Michalek
Minna von BarnhelmMinna Wündrich
Franciska, ihr MädchenLea Ruckpaul
Just, Bedienter des MajorsJonas Friedrich Leonhardi
Paul Werner, gewesener Wachtmeister des MajorsFlorian Lange
Eine Dame in TrauerJudith Bohle/Gesa Schermuly
Riccaut de la MarliniereWolfgang Reinbacher
Regie und BühneAndreas Kriegenburg
LichtJean-Mario Bessière
DramaturgieRobert Koall

Dauer

3 Stunden 15 Minuten — eine Pause