Der zerbrochne Krug

Lustspiel von Heinrich von KleistPremiere am 8. November 2018Schauspielhaus, Kleines HausSchauspiel

Über das Stück

Nachdem nachts in Eves Zimmer ein Krug zu Bruch gegangen ist, wird am nächsten Morgen vor Gericht weit mehr verhandelt als bloß Keramik. Eves Mutter verlangt, den Bräutigam zur Rechenschaft zu ziehen, Ruprecht aber will die Verlobung lösen – denn er war’s nicht, der den Krug zerbrochen hat. Wer tatsächlich in der Kammer war, darüber schweigt sich Eve aus. Heinrich von Kleists Lustspiel über das Corpus Delicti eines zerbrochenen Kruges gehört seit mehr als 200 Jahren zum Kernrepertoire des deutschsprachigen Theaters, es dürfte also niemanden überraschen, dass der Dorfrichter Adam, der über dem seltsamen Fall zu Gericht sitzt, der gesuchte Krugzertrümmerer ist. Wie Adam versucht, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, und sich dabei an den Galgen lügt, das ist die eine Seite dieses Lustspiels. Die andere liest sich wie ein brandaktueller Kommentar zur #MeToo-Debatte. Denn der Machtmissbrauch des Richters reicht von Urkundenfälschung über Vetternwirtschaft und Erpressung bis zu sexueller Nötigung. Es ist nicht nur die Geschichte des unrechten Adam, sondern ebenso die einer ganzen Gesellschaft, die eine fragwürdige Autorität stützt, statt Eve zuzuhören.

Andreas Grothgar wird Dorfrichter Adam spielen, Cennet Rüya Voß spielt die Eve. Die junge Regisseurin Laura Linnenbaum zeigte bisher Inszenierungen u.a. am Theater Bonn, am Staatstheater Kassel und am Berliner Ensemble. Sie ist außerdem Kuratorin und künstlerische Leiterin des Festivals Unentdeckte Nachbarn in Chemnitz, das mit dem Chemnitzer Friedenspreis ausgezeichnet wurde.

Besetzung

Walter, Gerichtsrat Florian Lange
Adam, Dorfrichter Andreas Grothgar
Licht, Schreiber Rainer Philippi
Frau Marthe Rull Michaela Steiger
Eve, ihre Tochter Cennet Rüya Voß
Ruprecht Henning Flüsloh
Frau Brigitte Markus Danzeisen
Bühne Valentin Baumeister
Kostüm Ulrike Obermüller
Musik Justus Wilcken
Dramaturgie Felicitas Zürcher

Dauer

2 Stunden — keine Pause

Trailer

Pressestimmen

Cennet Rüya Voß spielt die Figur der Eve sehr still. Sie ist wie zu einer Statue lebensfern erstarrt. Als personifizierte Unschuld trägt sie weiße Latzhosen und Gummistiefel. Am Ende gibt ihr Laura Linnenbaum den Monolog, den Kleist einst selbst für sie gedacht hatte, zurück. Der ist bislang fast nicht inszeniert worden. Denn als Goethe den Monolog 1808 noch selbst aufführte, floppte die Inszenierung. Daraufhin hat Kleist den Monolog der Eve, in dem sie ihre Beweggründe erklärt, weggekürzt. Dieser Monolog wird Eve nun wiedergegeben, um sich in ihrer Kraft zu entfalten.
Deutschlandfunk Kutur
Ein scharfer und wichtiger Debattenbeitrag im zweiten Jahr der »Me Too«-Bewegung. Das Außergewöhnliche an diesem Stück ist, dass und wie Kleist den quälenden Prozesstag in eine gemeine Komödie verpackt, deren Komik bis heute verblüffend gut funktioniert.
Süddeutsche Zeitung
Laura Linnenbaum inszeniert Kleists Lustspielt mit viel Lust am Wortwitz und viel Wut über die Lust der mächtigen Männer.
Theater heute
Linnenbaum bleibt dicht am Text, auch wenn sie das Pittoresk-Gemütliche der Vorlage eliminiert. Heinrich von Kleists »Zerbrochner Krug« ist ein überkomplexes Stück. Sündenfall im Paradies, Anti-Ödipus, Inversion der Tragödie ins Komische: Der Chiffren ist kein Ende, und kein Publikum der Welt wird das alles auf Anhieb entschlüsseln können. Daran ist schon der Regisseur der Uraufführung, ein gewisser Herr von Goethe, schier verzweifelt. Er hatte auf mehr Lacher gehofft. Dabei ist das Stück nicht nur sehr komisch, es ist saukomisch, auch wenn die Sau nicht durchs Dorf, sondern nur durch einen Gerichtssaal getrieben wird – der zugleich Krankenstation, Dorfschänke und einiges mehr ist. Im Wesentlichen also: Parodie eines Gerichtssaals; alles ist hier Parodie.
Nachtkritik
Regisseurin Laura Linnenbaum macht in Düsseldorf aus Heinrich von Kleists berühmtem Lustspiel ein Lehrstück über Missbrauch. Und Cennet Rüya Voß spielt das ergreifend: die Verzweiflung und Ohnmacht des Opfers. Am Düsseldorfer Schauspielhaus hat Laura Linnenbaum aus Kleists vielschichtigem Lustspiel »Der zerbrochne Krug« ein bitteres Lehrstück zur MeToo-Debatte gemacht – ohne der Gerichts-Farce die mal deftige, mal hintersinnige Komik zu nehmen.
Rheinische Post
Nun startet die Komödie mit ihren von karnevalesken Figuren, gewitzten und geistreichen Dialogen. Adam erscheint nur noch als Karikatur eines Justizvertreters. Andreas Grothgar mimt Adam mit kraftvoller Komik und führt auch seinen Vorgesetzten Gerichtsrat Walter lustvoll an der Nase herum. Florian Lange führt Walters scheiternden Kampf um Aufklärung überzeugend vor. Michaela Steiger mimt die Klägerin Marthe Rull, Eves Mutter, ernst und nüchtern, aber glaubwürdig. Sie beschuldigt Ruprecht, dem angehenden Bräutigam Eves, ihren Krug zerstört zu haben. Stefan Gorski gibt den Bauernsohn als jugendlich aufbrausend. Er wiederum bezichtigt Eve, einen Liebhaber empfangen zu haben und beschimpft sie als als Dirne. Doch so komisch die menschlichen Unzulänglichkeiten auch erscheinen mögen, gibt es letztlich ein Opfer: Eve. Cennet Rüya Voß verkörpert sie still, zerbrechlich und unschuldig. Doch am Schluss kriegt sie den Monolog wieder, den Kleist einst weggekürzt hatte. Hierin schildert Eve den Tathergang. Bewegend und unerlässlich!
Westdeutsche Zeitung