Magie
Ein Gespräch mit der Regisseurin Liesbeth Coltof über neue Blickwinkel, Märchen und die Kunst des Verzeihens
Sie machen sehr erfolgreich sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene Theater. Spielt das Alter Ihrer Zuschauer für Sie eine Rolle?
Das kann ich tatsächlich nur mit Ja und Nein beantworten. Kinder und Erwachsene leben in derselben Welt: Sie sehen also dieselben Dinge, interpretieren und verstehen sie vielleicht nur anders. Daher denke ich, dass man im Theater grundsätzlich alles für Kinder erzählen kann, die entscheidende Frage ist nur, wie ich es auf die Bühne bringe. Wenn sich meine Inszenierungen an ein junges Publikum wenden, ist mir immer sehr wichtig, dass sie sowohl für Kinder als auch für Erwachsene interessant sind. Wenn Eltern nur denken: »Oh, wie süß«, aber nichts für sich mit nach Hause nehmen, dann habe ich meinen Job nicht richtig gemacht. Der Theaterbesuch ist ein geteilter Moment zwischen Kindern und Eltern, in dem man etwas gemeinsam erlebt. Das kann sich durchaus für jeden unterschiedlich anfühlen, aber erst durch die verschiedenen Perspektiven entsteht eine freudvolle Spannung im Publikum. Ich liebe es, wenn Kinder beispielsweise über etwas lachen, das die Erwachsenen nicht verstehen. Diese Art von Irritation macht eine Vorstellung interessant, weil sie eine wirkliche Beziehung zwischen den Zuschauern herstellt.
Sie haben schon einige Klassiker für Kinder inszeniert. Braucht man da eine spezielle Herangehensweise?
Wenn ich einen Klassiker für ein junges Publikum inszeniere, rücke ich immer die Perspektive des Kindes in den Fokus: Was fühlen die Töchter von König Lear, wie geht es Iphigenie, wenn sie von ihrem Vater verraten wird? Das ist für mich wichtig – ich versuche, eine große Erwachsenengeschichte aus den Augen eines Kindes zu betrachten, ohne von der Geschichte abzuweichen. Ich erschaffe einfach einen neuen Blickwinkel.
Sie werden diese Spielzeit William Shakespeares »Der Sturm« für ein Publikum ab neun Jahren inszenieren. Was interessiert Sie an diesem Stoff am meisten?
»Der Sturm« ist für mich eines der schönsten Dramen von Shakespeare, weil er so geheimnisvoll ist. Wie ein Märchen – ein buntes, spirituelles und sehr humorvolles Märchen, das von Liebe, Intrigen, aber auch von Politik und Zauberei erzählt. Das alles hat Shakespeare in seinem letzten Stück vereint und es uns als sein Testament hinterlassen. Doch am meisten interessiert mich das Motiv der Vergebung. Am Anfang des »Sturms« steht ein großer Vertrauensbruch: Prospero, der Herzog von Mailand, wird von seinem Bruder Antonio vom Thron gestoßen und verjagt. Seitdem sehnt er sich nur noch nach Vergeltung und eignet sich dafür sogar Zauberkräfte an. Als Prospero dann endlich die Chance auf Rache bekommt, plagt er seine Widersacher mit seinen magischen Fähigkeiten so lange, bis sie fast verrückt werden. Er kann einfach nicht genug bekommen und verliert sich fast in seinen Racheplänen. Prospero muss irgendwann einsehen, dass er nicht sein ganzes Leben an seiner Vergeltung festhalten kann, dass es ihn immer nach mehr verlangen würde, und so erkennt er, dass nur Vergebung ihm Frieden und Erlösung bringen wird.
Erlösung durch Vergebung – klingt, als wäre das gar nicht so einfach.
Richtig. Wahre Vergebung ist wahrscheinlich die größte Herausforderung im Leben. Prospero wurde wirklich Unrecht angetan, und den Verrat seines Bruders zu verzeihen ist für ihn überhaupt nicht leicht. Man kann im Stück ganz deutlich Prosperos Zwiespalt erkennen, den Kampf, den er mit sich selbst führt. Doch der Moment, in dem er wirklich verzeiht, erschafft ihm eine enorme Erleichterung. Ich finde dieses Werk von Shakespeare gerade in dieser Zeit, die von viel Wut geprägt ist, besonders bedeutend. Es zeigt, dass es immer schwer ist zu verzeihen, dass es jedoch oft der einzige Ausweg ist. »Der Sturm« ist für mich ein Kampf um die Menschlichkeit.
Haben Sie schon Ideen, wie Sie das Stück für das Düsseldorfer Publikum auf die Bühne bringen werden?
Es ist mir wichtig, eng am Original zu bleiben, denn »Der Sturm« bietet sehr viel: eine verwunschene Insel, einen Prinzen und eine Prinzessin, Geister und Zauberwesen und lustige Narrenfiguren. Besonders die magische Welt lässt viel Raum für Fantasie. Um sie auf der Bühne entstehen zu lassen, werde ich mit fantastischen Puppen und stimmungsvoller Musik arbeiten. Natürlich werde ich auch den Text ein wenig bearbeiten, neu übersetzen – aber die poetische Sprache, das Geheimnis der Wörter und ihre Musikalität versuche ich zu erhalten. Für mich ist das Stück ein wunderschönes Bild von dieser Welt, und ich denke, dass in jedem Menschen auch ein Prospero steckt. Eines Tages kommt ein Sturm, der deinen Verstand und dein Herz durcheinanderwirbelt und dich vor die Wahl stellt, welche Gefühle du siegen lässt. — Das Interview führte die Dramaturgin Judith Weißenborn — erschienen im Spielzeitheft 2017/18 des Düsseldorfer Schauspielhauses
Liesbeth Coltof wurde als Regisseurin mehrfach ausgezeichnet und ist Künstlerische Leiterin des Theaters Toneelmakerij in Amsterdam. Sie inszeniert auch regelmäßig im Nahen Osten, vor allem im Gazastreifen.
Das kann ich tatsächlich nur mit Ja und Nein beantworten. Kinder und Erwachsene leben in derselben Welt: Sie sehen also dieselben Dinge, interpretieren und verstehen sie vielleicht nur anders. Daher denke ich, dass man im Theater grundsätzlich alles für Kinder erzählen kann, die entscheidende Frage ist nur, wie ich es auf die Bühne bringe. Wenn sich meine Inszenierungen an ein junges Publikum wenden, ist mir immer sehr wichtig, dass sie sowohl für Kinder als auch für Erwachsene interessant sind. Wenn Eltern nur denken: »Oh, wie süß«, aber nichts für sich mit nach Hause nehmen, dann habe ich meinen Job nicht richtig gemacht. Der Theaterbesuch ist ein geteilter Moment zwischen Kindern und Eltern, in dem man etwas gemeinsam erlebt. Das kann sich durchaus für jeden unterschiedlich anfühlen, aber erst durch die verschiedenen Perspektiven entsteht eine freudvolle Spannung im Publikum. Ich liebe es, wenn Kinder beispielsweise über etwas lachen, das die Erwachsenen nicht verstehen. Diese Art von Irritation macht eine Vorstellung interessant, weil sie eine wirkliche Beziehung zwischen den Zuschauern herstellt.
Sie haben schon einige Klassiker für Kinder inszeniert. Braucht man da eine spezielle Herangehensweise?
Wenn ich einen Klassiker für ein junges Publikum inszeniere, rücke ich immer die Perspektive des Kindes in den Fokus: Was fühlen die Töchter von König Lear, wie geht es Iphigenie, wenn sie von ihrem Vater verraten wird? Das ist für mich wichtig – ich versuche, eine große Erwachsenengeschichte aus den Augen eines Kindes zu betrachten, ohne von der Geschichte abzuweichen. Ich erschaffe einfach einen neuen Blickwinkel.
Sie werden diese Spielzeit William Shakespeares »Der Sturm« für ein Publikum ab neun Jahren inszenieren. Was interessiert Sie an diesem Stoff am meisten?
»Der Sturm« ist für mich eines der schönsten Dramen von Shakespeare, weil er so geheimnisvoll ist. Wie ein Märchen – ein buntes, spirituelles und sehr humorvolles Märchen, das von Liebe, Intrigen, aber auch von Politik und Zauberei erzählt. Das alles hat Shakespeare in seinem letzten Stück vereint und es uns als sein Testament hinterlassen. Doch am meisten interessiert mich das Motiv der Vergebung. Am Anfang des »Sturms« steht ein großer Vertrauensbruch: Prospero, der Herzog von Mailand, wird von seinem Bruder Antonio vom Thron gestoßen und verjagt. Seitdem sehnt er sich nur noch nach Vergeltung und eignet sich dafür sogar Zauberkräfte an. Als Prospero dann endlich die Chance auf Rache bekommt, plagt er seine Widersacher mit seinen magischen Fähigkeiten so lange, bis sie fast verrückt werden. Er kann einfach nicht genug bekommen und verliert sich fast in seinen Racheplänen. Prospero muss irgendwann einsehen, dass er nicht sein ganzes Leben an seiner Vergeltung festhalten kann, dass es ihn immer nach mehr verlangen würde, und so erkennt er, dass nur Vergebung ihm Frieden und Erlösung bringen wird.
Erlösung durch Vergebung – klingt, als wäre das gar nicht so einfach.
Richtig. Wahre Vergebung ist wahrscheinlich die größte Herausforderung im Leben. Prospero wurde wirklich Unrecht angetan, und den Verrat seines Bruders zu verzeihen ist für ihn überhaupt nicht leicht. Man kann im Stück ganz deutlich Prosperos Zwiespalt erkennen, den Kampf, den er mit sich selbst führt. Doch der Moment, in dem er wirklich verzeiht, erschafft ihm eine enorme Erleichterung. Ich finde dieses Werk von Shakespeare gerade in dieser Zeit, die von viel Wut geprägt ist, besonders bedeutend. Es zeigt, dass es immer schwer ist zu verzeihen, dass es jedoch oft der einzige Ausweg ist. »Der Sturm« ist für mich ein Kampf um die Menschlichkeit.
Haben Sie schon Ideen, wie Sie das Stück für das Düsseldorfer Publikum auf die Bühne bringen werden?
Es ist mir wichtig, eng am Original zu bleiben, denn »Der Sturm« bietet sehr viel: eine verwunschene Insel, einen Prinzen und eine Prinzessin, Geister und Zauberwesen und lustige Narrenfiguren. Besonders die magische Welt lässt viel Raum für Fantasie. Um sie auf der Bühne entstehen zu lassen, werde ich mit fantastischen Puppen und stimmungsvoller Musik arbeiten. Natürlich werde ich auch den Text ein wenig bearbeiten, neu übersetzen – aber die poetische Sprache, das Geheimnis der Wörter und ihre Musikalität versuche ich zu erhalten. Für mich ist das Stück ein wunderschönes Bild von dieser Welt, und ich denke, dass in jedem Menschen auch ein Prospero steckt. Eines Tages kommt ein Sturm, der deinen Verstand und dein Herz durcheinanderwirbelt und dich vor die Wahl stellt, welche Gefühle du siegen lässt. — Das Interview führte die Dramaturgin Judith Weißenborn — erschienen im Spielzeitheft 2017/18 des Düsseldorfer Schauspielhauses
Liesbeth Coltof wurde als Regisseurin mehrfach ausgezeichnet und ist Künstlerische Leiterin des Theaters Toneelmakerij in Amsterdam. Sie inszeniert auch regelmäßig im Nahen Osten, vor allem im Gazastreifen.
Besetzung
Alonso, König von NeapelAndrei Viorel Tacu
Sebastiano, sein BruderAlessa Kordeck
Prospero, rechtmäßiger Herzog von MailandRainer Philippi
Antonio, sein Bruder, unrechtmäßiger Herzog von MailandKonstantin Lindhorst
Miranda, Prosperos Tochter
Ferdinand, Sohn des Königs von NeapelJonathan Gyles
Gonzalo, ein rechtschaffener alter RatFlorian Lange
Caliban, ein wilder, missgestalteter SklaveKonstantin Lindhorst
Trinculo, ein NarrAndrei Viorel Tacu
Stefano, ein betrunkener KellermeisterFlorian Lange
BootsmannJonathan Gyles
Ariel, ein LuftgeistAlessa Kordeck
Iris, GeistKonstantin Lindhorst
Ceres, GeistAndrei Viorel Tacu
Juno, GeistFlorian Lange
RegieLiesbeth Coltof
KostümCarly Everaert
KompositionJoost Belinfante
Musikalische EinstudierungKlaus-Lothar Peters
PuppenbauRieks Swarte
Puppenspiel-CoachingJohanna Kolberg
DramaturgieJudith Weißenborn
Dauer
2 Stunden, 15 Minuten — 1 Pause
Besetzungsänderung: In den Vorstellungen von »Der Sturm« am 26.12.2017 sowie am 21. und 22.1.2018 in der Münsterstraße 446 wird Lili Epply die Rolle der Miranda übernehmen.