Westdeutsche Zeitung
Das Junge Schauspiel zeigt eine gelungene und temperamentvolle Adaption des Fantasy-Films als Bühnenstück. [...] In Szene gesetzt von Jan Gehler im Jungen Schauspielhaus – in Turbotempo, voll sprühender Vitalität, mit sparsamen Requisiten, aber reichlich Schulkreide.
Auf der Münsterstraße zu sehen ist jedenfalls eine rein analoge Fantasy-Inszenierung, die überwiegend von quicker Lebendigkeit und dem Temperament der Darsteller lebt und ohne digitalen oder virtuellen Smartphone-Schnickschnack auskommt. Und damit sein Publikum mitzieht. Die Premiere Samstagabend wurde von Zuschauern dreier Generationen gefeiert; denn es geht ja nicht nur um die Jugend. Sondern Nemo Nobody, so der Name (zweimal Niemand) des Titelhelden, taucht in verschiedenen Altersstufen auf – anfangs ist er acht, plötzlich 117, dann wieder 15 und schließlich ein Familienvater von 34 Jahren. In emotionaler Aufwühlung zu jeweils verschiedenen Freundinnen oder Geliebten – namentlich Anna, Elise und Jean. Flott gespielt von Marie Jensen, Selin Dörtkardes und Eduard Lind. [...] Fantasygerecht springen die Mimen im Affenzahn (beinah wie in Filmschnitten) von einer Epoche in die nächste – angetrieben von quietschender Geräuschkulisse (Vredeber Albrecht) und virtuosen Lichteffekten (Marek Lamprecht). In pausenlosen 100 Minuten durchlebet man die Qualen von Wahlen oder Entscheidungen, die Mister Nobody zu treffen hat. [...] Im Fokus und Dauereinsatz: Der flinke, extrem wandlungsfähige Jonathan Gyles – nahezu eine Idealbesetzung für die Titelrolle. Gerade ist er noch der Junge, der sich an beide Elternteile klammert, plötzlich der zitternde Tattergreis, der sich nicht nur an Vergangenheit erinnert, sondern auch in die Zukunft der jungen Generation blicken kann. Das gelingt Gyles mit hintergründigem, aber jungenhaftem Witz – genauso wie die turtelnden Verliebten-Szenen. Nachdenklich indes beleuchtet er das Hin- und Herflattern vor wegweisenden Entscheidungen. Ein Problem, das vor keinem Alter Halt macht. All das gelingt dem quirligen Lockenkopf Gyles, ohne allzu laut auf die Boulevard-Pauke zu hauen.[...] In dem originellen, multifunktionalen Dekor von Ausstatter Ansgar Prüwer springen die Szenen und Zeitebenen vorwärts und rückwärts. [...] Analoges Fantasy-Vergnügen mit Tiefgang.
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Neue Rhein Zeitung
Im Jungen Schauspiel an der Münsterstraße gab es bei der Uraufführung für das Publikum berührend instensive Denkangebote. [...] Es ist die aus dem eigenen Leben so bekannte Unberechenbarkeit, welche die Emotionalität des Publikums speist. Es ist beeindruckend, wie intensiv die Schauspielerinnen und Schauspieler ihre Rollen umsetzen, wie sie vergessen lassen, dass es ein Geschehen auf der Bühne ist. Besonders gut unterstreicht das Bühnenbild von Ansgar Prüwer die Handlungen.
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Regisseur Jan Gehler, Dramaturg David Benjamin Brückel und Team haben die vertrackte Geschichte, die raffiniert zwischen philosophischem Diskurs, Science-Fiction-Romanze und Coming-of-Age-Drama oszilliert, klug für die Bühne bearbeitet.
[...] etwa wurde aus einer der drei Frauen, mit denen der erwachsene Nemo im Film die Liebe erkundet, in Düsseldorf ein Mann. Ein kluger Schachzug, pendelt doch die öffentliche Diskussion um die Freiheit des Liebens auch hierzulande stark zwischen reaktionären und liberalen Polen. Der Abend betont vor allem eins: die Wichtigkeit des Denkens, des Selbst-Denkens. Zugleich aber wird deutlich, dass das einzelne Individuum nur dann ein erfülltes Leben finden kann, wenn es seine persönlichen Besonderheiten bewusst für die Stärkung der Gemeinschaft einsetzt. [...] Die Inszenierung und die Ausstattung (Bühne und Kostüm: Ansgar Prüwer) bauen auf Phantasie. [...] A und O sind die sechs Schauspielerinnen und Schauspieler. Abgesehen von Jonathan Gyles in der Titelrolle haben sie jeweils zwei Figuren darzustellen. Jeder und jedem gelingt das mit faszinierender körperlicher und sprachlicher Variabilität. Sie haben manchmal nur Sekunden, um einen Charakter erstrahlen zu lassen, und das gelingt jedes Mal. Naturgemäß führt Jonathan Gyles das mit deutlicher Lust agierende Ensemble an. Er lässt einen allein schon deshalb staunen, weil er es immer wieder auf verblüffende Weise schafft, zwischen den verschiedenen Altersphasen von Nemo hin und her zu wandeln, gar oft sozusagen rasend schnell zu springen. Das allein aber wäre allein artistisch bewundernswert. Er aber bietet mehr, nämlich eine komplexe Seelenstudie, die sich aus vielen von ihm nie überzogen gezeigten Momentaufnahmen ergibt. Dabei kommt er mit Witz in der Stimme über drohende Sentimentalität hinweg und erreicht eine tatsächlich berührende Intensität.Einmal wird in der Handlung der Schriftsteller Tennessee Williams ins Spiel gebracht, einer der großen US-amerikanischen Theaterautoren des 20. Jahrhunderts. „Endstation Sehnsucht“ ist sein wohl heute noch berühmtestes Stück. „Mr. Nobody“ im Jungen Schauspiel des Düsseldorfer Schauspielhauses beleuchtet genau sie, die Endstation Sehnsucht, auf moderne, sensible, leichte, mitreißende, aufwühlende, niemals dozierende Art. Ein Theater-Kleinod für Zuschauer ab 12 bis ins Greisenalter.
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Rheinische Post
Regisseur Jan Gehler gelingt eine spielerisch wie optisch starke Inszenierung. Im Laufe des mit Witz und Komik angereicherten Stücks kritzeln die Schauspieler die kahle Kulissenwand mit Kreide voll, was eine zusätzliche Ebene schafft. Großer Jubel für »Mr. Nobody«.
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Besetzung
Nemo (9, 15, 34, 117)Jonathan Gyles
Mutter / Dr. FeldheimNatalie Hanslik
Vater / JournalistPaul Jumin Hoffmann
Anna (9, 15, 34)Marie Jensen
Elise (9, 15, 34)Selin Dörtkardeş
Jean (9, 15, 34) / HarryEduard Lind
RegieJan Gehler
Bühne und KostümAnsgar Prüwer
MusikVredeber Albrecht
DramaturgieDavid Benjamin Brückel
TheaterpädagogikSaliha Shagasi
Dauer
1 Stunde, 45 Minuten — keine Pause