Besetzung
Walter, GerichtsratFlorian Lange
Adam, DorfrichterAndreas Grothgar
Licht, SchreiberRainer Philippi
Frau Marthe RullMichaela Steiger
Eve, ihre TochterCennet Rüya Voß
RuprechtHenning Flüsloh
Frau BrigitteMarkus Danzeisen
RegieLaura Linnenbaum
BühneValentin Baumeister
KostümUlrike Obermüller
MusikJustus Wilcken
DramaturgieFelicitas Zürcher
Dauer
2 Stunden — keine Pause
Marthe will vor Gericht ihren teuren Krug ersetzt haben. Vor allem aber will sie die Ehre ihrer Tochter beschützen, indem sie aussagt, deren Verlobter Ruprecht (Stefan Gorski) und nicht etwa ein Fremder habe ihn zerstört. Dass weder sie noch Ruprecht das geringste Vertrauen in Eve haben, ist das frauenverachtende Grundnarrativ, das Kleist dem ach so heiteren Plot unterlegt. Anstelle der leichtgängigen Kurzfassung, die der Dramatiker nach der gefloppten Uraufführung selbst erstellt hatte, inszeniert Linnenbaum die lange Version. Diese soll Unglück bringen, munkelt man bis heute am Theater. Was sie wirklich bringt, ist Aufklärung. Nur in dieser Fassung darf Eve vom Objekt zum Subjekt werden und erzählen, wie es zum Übergriff durch den Richter kam.
Cennet Rüya Voß hat schon eine unglaubliche Bühnenpräsenz, wenn sie nur stumm mit sich ringend am Rand steht. Jetzt donnert sie diesen Monolog mit einer tief verletzten Wahrhaftigkeit heraus, die dem Abend eine extrem schmerzliche Wendung verpasst. Wie jede missbrauchte Frau bis heute wird auch Eve genötigt, öffentlich intime Details zu erzählen. Klar ist, dass die zwei Minuten, über die sie schweigt, die schlimmsten waren.
Florian Langes Walter ist nicht allein durch seine beschädigte Hand (die dem Klumpfuß des Adam entspricht) eingeschränkt, er erweist sich auch, bei aller oberflächlichen Sachlichkeit und "Vernunft", als im Denken borniert. Offenbar reizt es sehr, diesem selbstzufriedenen Mann die Maske vom Gesicht zu ziehen. Linnenbaum widmet ihm eine Regie-Zugabe: Er gibt der Eve nicht nur einen patriarchalen Kuss, er vergewaltigt sie vor dem Publikum. Damit diesem das Lachen im Hals steckenbleibt, das sich in den zwei Stunden zuvor, immer wieder mal, befreiend Bahn brach.