FAZ
Klaußners Shylock ist ein Bewegungskünstler, dessen Körper jene Anspannung ausdrückt, die seine Stimme zurückhält. Man hat große Sympathie mit diesem leichtfüßigen Außenseiter, versteht, dass er das Messer gegen seinen Widersacher zückt, und leidet mit, wenn ihm am Ende von der Scheinjustiz die Kippa höhnisch vom Kopf gerissen wird und er in gewaltigem Schrecken die Hände über dem schutzlosen Haupt zusammenschlägt. Klaußner spielt den Juden Shylock so, dass einem das Herz weich werden muss.
Wie häufig bei Vontobel unterstützen Livemusiker das Geschehen, und immer wieder wird zwischendurch auch von den Schauspielern selbst gesungen. Besonders schön tun das Lou Strenger als Shylocks verlorene Tochter Jessica und Matthias Luckey als dessen fahnenflüchtiger Diener.
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Süddeutsche Zeitung
»Roger Vontobel besitzt das Talent, spannende Geschichten spannend und meist ohne Schnörkel zu erzählen. Klaußner agiert die Figur offensiv, manchmal grandios aus, ohne sie in die Nähe der Karikatur zu treiben.«
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Rheinische Post
Viel Applaus gibt es für ein sehenswertes Stück über das Treten in der Gesellschaft, über Hass und perfide Formen im menschlichen Umgang.
Die Inszenierung beleuchtet Charaktere stets nah an Shakespeares Worten. […] Von der Regie veranlasst, sind es beseelte Gestalten mit einer Dynamik, die um 1600 nicht viel anders Fahrt aufnahm, als es heute der Fall sein könnte. Der schwarzen venezianischen Tiefe einer auf Stelzen montierten unteren Ebene wird die goldene Glitzerwelt des utopischen Ortes Belmont zugesetzt. Hier kommt der Reichtum zum Zuge, die starke Portia mit ihrer Dienerin Nerissa, die kluge Frauen sein dürfen. Minna Wündrich und Tanja Schleiff führen glänzende Dialoge, geben sich herrlich albern in affigen Spielen und massiv als Personen des Rechts. Die Frauen sind überhaupt mit Stärken ausgestattet, auch Shylocks Tochter Jessica, die Lou Strenger als erlebnissüchtigen Teenager gibt. Fein temperiert sie ihr jiddisches Lied und ihre Tänze. Um das Publikum unterhaltend an die Hand zu nehmen, läuft ein Band über der Bühne mit Originalzitaten. Die Musik ist stimulierend-schön. Matthias Luckey als skurriler Diener Shylocks erweist sich als fantastischer Sänger mit der Höhe des Countertenors.
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Westdeutsche Zeitung
Ein unterhaltsamer Abend, der auch dank einer Musikmischung aus Renaissance-Liedern und Rock (Keith O’Brien) kaum in Langeweile abgleitet. Besonders Matthias Luckey als Shylocks Diener Lanzelot Gobbo, der sich wie eine dürre Schlingpflanze windet und schließlich in die Dienste des Christen Antonio schleicht, führt mit Countertenor-Gesängen in eine ferne Shakespeare-Zeit – damals, als die Ablehnung von jüdischen Ritualen zum guten Ton der besseren Gesellschaft gehörte. Und schafft eine Atmosphäre, die zwischen Heiterkeit und Beklemmung pendelt.
Ansonsten inszeniert Hausregisseur Vontobel vom Blatt, zeigt Mut zur deftigen, stilsicheren Shakespeare-Komödie und führt die Schauspieler sicher durch manchmal fliegende Wechsel zwischen Venedig und dem »Belmont«. Dort wartet die reiche Erbin Portia auf Erlösung durch einen Freier, der die Drei-Kästchen-Rätsel lösen soll. Um sie (Minna Wündrich als coole, schnoddrig moderne und ziemlich starke Portia in Anzug) zu gewinnen, wird die von Antonios Freund Bassanio besucht. Er will durch Portias Liebe und Geld seine Schulden begleichen. Sebastian Tessenow überzeugt als verführerisch geschmeidiger Bassanio, der seine Reize zielsicher einsetzt und zwischen Homo- und Heterosexualität schwankt. […] Eine starke Szene macht Klaußner aus dem Monolog: Der sonst so lakonisch und schnörkellos knorrige Shylock besteht darin auf das vertraglich festgeschriebene Recht, aus Antonios Körper ein Stück Fleisch herauszuschneiden. Rutscht auf den Knien und scheint taub für das hässlich lautstarke Gebrüll »Jude«, mit denen Bassanios schmierlappige Entourage auf Shylock einhämmert.
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WAZ
Wobei wir beim ersten Glücksgriff wären: dem irischen Musiker Keith O’Brien, künstlerischer Weggefährte Vontobels. Für den Düsseldorfer »Kaufmann« hat er einen fabelhaften düster-dramatischen Soundtrack mit Gesang geschaffen, den Matthias Luckey als doppelgesichtiger Diener Lanzelot Gobbo mit seinem Falsett auf die Spitze treibt, in Form gezupft von O’Brian und Jan-Sebastian Weichsel an Gitarre und Kontrabass. Das bringt Schwung ins Spiel. Als Jessica, die Tochter des Juden (Lou Strenger), sich in einem jiddischen Lied in Trance tanzt und dabei wie ein Derwisch von der Bühne kreiselt, erhält die junge Frau mit der schönen Stimme verdienten Szenenapplaus.
Der zweite Glücksgriff heißt Burghart Klaußner. Auch mit ihm hat die Regie alles richtig gemacht. Klaußner spielt den Juden Shylock. Dieser, der Außenseiter, wird übel beschimpft, bedroht, bespuckt und geächtet. Klaußner, mit Hut und altmodischem Anzug, ist der stille Mittelpunkt der Inszenierung. Er erdet die schwere Rolle, gibt ihr Gelassenheit, Größe, Verletztheit, ganz leise passiert das, großartig. Anrührende Freudentänzchen wechseln sich ab mit leisem Hass und eisiger Strenge, die der geliebten Tochter Jessica gilt. [...] Ähnlich einnehmend: Minna Wündrich als hochmütige Portia, Tochter aus reichem Hause, die ihren Verehrern alberne Spielchen auferlegt.
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Neue Düsseldorfer Online Zeitung
Regisseur Roger Vontobel und das Team mit den hervorragenden Schauspieler_innen bringen einen »Kaufmann von Venedig« auf die Bühne, der die Komplexität des Shakespeareschen Dramas mit den Widersprüchen der Figuren behält. Langer verdienter Applaus.
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Besetzung
Antonio, der Kaufmann von VenedigAndreas Grothgar
Bassanio, sein Freund, ein Freier von PortiaSebastian Tessenow
GratianoFlorian Lange
SalerioAlexej Lochmann
SolanioAndrei Viorel Tacu
Lorenzo, verliebt in JessicaKilian Land
Shylock, ein JudeBurghart Klaußner
Lanzelot Gobbo, ein ClownMatthias Luckey
Portia, eine ErbinMinna Wündrich
Nerissa, ihre DienerinTanja Schleiff
Jessica, Shylocks TochterLou Strenger
RegieRoger Vontobel
BühneMuriel Gerstner
KostümTina Kloempken
MusikKeith O'Brien
LichtGerard Cleven
DramaturgieRobert Koall