
Plädoyer der »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit«
Als Repräsentantinnen und Repräsentanten öffentlicher Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen verbindet uns der staatliche Auftrag, Kunst und Kultur, historische Forschung und demokratische Bildung zu fördern und der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Dafür sind wir auf eine Öffentlichkeit angewiesen, die auf der normativen Basis der grundgesetzlichen Ordnung streit-bare und kontroverse Debatten ermöglicht. Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt dabei auch marginalisierten und ausgeblendeten Stimmen, die für kulturelle Vielfalt und kritische Perspektiven stehen. Der gemein-same Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus und jede Form von gewaltbereitem religiösem Fundamentalismus steht im Zentrum unserer Initiative.
Eine spezifische Herausforderung besteht für uns heute darin, die Besonderheiten der deutschen Vergangenheit unseren Kooperationspartner:innen in der ganzen Welt verantwortungsvoll zu vermitteln, um eine gemeinsame Gegenwart und Zukunft zu entwerfen. Eine Vergangenheit, die einerseits geprägt ist durch den beispiellosen Völkermord an den europäischen Juden und Jüdinnen und andererseits durch eine späte und relativ zögerliche Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte. Dazu bedarf es eines aktiven Engagements für die Vielfalt jüdischer Positionen und der Öffnung für andere, aus der nichteuropäischen Welt vorgetragene gesellschaftliche Visionen.
Es ist unproduktiv und für eine demokratische Öffentlichkeit abträglich, wenn wichtige lokale und internationale Stimmen aus dem kritischen Dialog ausgegrenzt werden sollen, wie im Falle der Debatte um Achille Mbembe zu beobachten war. Die historische Verantwortung Deutschlands darf nicht dazu führen, andere historische Erfahrungen von Gewalt und Unterdrückung moralisch oder politisch pauschal zu delegitimieren. Konfrontation und Auseinandersetzung damit müssen gerade in öffentlich geförderten Kultur- und Diskursräumen möglich sein. Vor diesem Hintergrund bereitet uns auch die Anwendung der BDS-Resolution des Bundestages große Sorge. Da wir den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch für grundlegend halten, lehnen wir den Boykott Israels durch den BDS ab. Gleichzeitig halten wir auch die Logik des Boykotts, die die BDS-Resolution des Bundestages ausgelöst hat, für gefährlich. Unter Berufung auf diese Resolution werden durch missbräuchliche Verwendungen des Antisemitismusvorwurfs wichtige Stimmen beiseitegedrängt und kritische Positionen verzerrt dargestellt.
Aus diesem Grund haben wir uns zu der »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit« zusammengefunden, in der wir unsere Kompetenzen und Kräfte bündeln, um uns für die Verteidigung eines Klimas der Vielstimmigkeit, der kritischen Reflexion und der Anerkennung von Differenz einzusetzen. Mit dem Namen verweisen wir auf Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes, in dem die Freiheit von Kunst und Wissenschaft garantiert wird. Weltoffenheit, wie wir sie verstehen, setzt eine politische Ästhetik der Differenz voraus, die Anderssein als demokratische Qualität versteht und Kunst und Bildung als Räume, in denen es darum geht, Ambivalenzen zu ertragen und abweichende Positionen zuzulassen. Dazu gehört es auch, einer Vielstimmigkeit Frei-räume zu garantieren, die die eigene privilegierte Position als implizite Norm kritisch zur Disposition stellt.
Wir verteidigen die weltoffene Gesellschaft, die für die Gleichwertigkeit aller Menschen mit den Mitteln des Rechtsstaats und öffentlichen Diskurses streitet sowie Dissens und vielschichtige Solidaritäten zulässt. Dies ist die Grundlage, welche es den Künsten und Wissenschaften erlaubt, ihre ureigene Funktion weiterhin auszuüben: die der kritischen Reflexion der gesellschaftlichen Ordnungen und der Öffnung für alternative Weltentwürfe.
Eine spezifische Herausforderung besteht für uns heute darin, die Besonderheiten der deutschen Vergangenheit unseren Kooperationspartner:innen in der ganzen Welt verantwortungsvoll zu vermitteln, um eine gemeinsame Gegenwart und Zukunft zu entwerfen. Eine Vergangenheit, die einerseits geprägt ist durch den beispiellosen Völkermord an den europäischen Juden und Jüdinnen und andererseits durch eine späte und relativ zögerliche Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte. Dazu bedarf es eines aktiven Engagements für die Vielfalt jüdischer Positionen und der Öffnung für andere, aus der nichteuropäischen Welt vorgetragene gesellschaftliche Visionen.
Es ist unproduktiv und für eine demokratische Öffentlichkeit abträglich, wenn wichtige lokale und internationale Stimmen aus dem kritischen Dialog ausgegrenzt werden sollen, wie im Falle der Debatte um Achille Mbembe zu beobachten war. Die historische Verantwortung Deutschlands darf nicht dazu führen, andere historische Erfahrungen von Gewalt und Unterdrückung moralisch oder politisch pauschal zu delegitimieren. Konfrontation und Auseinandersetzung damit müssen gerade in öffentlich geförderten Kultur- und Diskursräumen möglich sein. Vor diesem Hintergrund bereitet uns auch die Anwendung der BDS-Resolution des Bundestages große Sorge. Da wir den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch für grundlegend halten, lehnen wir den Boykott Israels durch den BDS ab. Gleichzeitig halten wir auch die Logik des Boykotts, die die BDS-Resolution des Bundestages ausgelöst hat, für gefährlich. Unter Berufung auf diese Resolution werden durch missbräuchliche Verwendungen des Antisemitismusvorwurfs wichtige Stimmen beiseitegedrängt und kritische Positionen verzerrt dargestellt.
Aus diesem Grund haben wir uns zu der »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit« zusammengefunden, in der wir unsere Kompetenzen und Kräfte bündeln, um uns für die Verteidigung eines Klimas der Vielstimmigkeit, der kritischen Reflexion und der Anerkennung von Differenz einzusetzen. Mit dem Namen verweisen wir auf Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes, in dem die Freiheit von Kunst und Wissenschaft garantiert wird. Weltoffenheit, wie wir sie verstehen, setzt eine politische Ästhetik der Differenz voraus, die Anderssein als demokratische Qualität versteht und Kunst und Bildung als Räume, in denen es darum geht, Ambivalenzen zu ertragen und abweichende Positionen zuzulassen. Dazu gehört es auch, einer Vielstimmigkeit Frei-räume zu garantieren, die die eigene privilegierte Position als implizite Norm kritisch zur Disposition stellt.
Wir verteidigen die weltoffene Gesellschaft, die für die Gleichwertigkeit aller Menschen mit den Mitteln des Rechtsstaats und öffentlichen Diskurses streitet sowie Dissens und vielschichtige Solidaritäten zulässt. Dies ist die Grundlage, welche es den Künsten und Wissenschaften erlaubt, ihre ureigene Funktion weiterhin auszuüben: die der kritischen Reflexion der gesellschaftlichen Ordnungen und der Öffnung für alternative Weltentwürfe.
Arbeitskreis
- Berliner Festspiele, Thomas Oberender (Intendant)
- Berliner Künstlerprogramm des DAAD, Silvia Fehrmann (Leiterin)
- Bündnis Internationaler Produktionshäuser:
– FFT Düsseldorf (Forum Freies Theater ), Kathrin Tiedemann (Künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin)
– HAU Hebbel am Ufer / Berlin, Annemie Vanackere (Intendantin)
– HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste / Dresden, Carena Schlewitt (Intendantin)
– Kampnagel / Hamburg, Amelie Deuflhard (Intendantin)
– Künstlerhaus Mousonturm / Frankfurt am Main, Matthias Pees (Intendant)
– PACT Zollverein / Essen, Stefan Hilterhaus (Intendant)
– tanzhaus nrw / Düsseldorf, Bettina Masuch (Intendantin) - Deutsches Theater Berlin, Ulrich Khuon (Intendant)
- Einstein Forum Potsdam, Susan Neiman (Direktorin)
- Goethe-Institut, Johannes Ebert (Generalsekretär)
- Haus der Kulturen der Welt, Bernd Scherer (Intendant)
- Jüdisches Museum Hohenems, Hanno Loewy (Direktor)
- Kulturstiftung des Bundes, Hortensia Völckers (Künstlerische Direktorin)
- Moses Mendelssohn Zentrum für Europäisch-Jüdische Studien, Miriam Rürup (Direktorin)
- Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK), Barbara Plankensteiner (Direktorin)
- Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Hartmut Dorgerloh (Generalintendant)
- Wissenschaftskolleg zu Berlin, Barbara Stollberg-Rilinger (Rektorin)
- Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin, Stefanie Schüler-Springorum (Leiterin)
Weitere Unterzeichner*innen des Plädoyers
- Deutscher Bühnenverein, Carsten Brosda (Präsident)
- DOK Leipzig, Christoph Terhechte (Künstlerischer Leiter und Geschäftsführer)
- Düsseldorfer Schauspielhaus, Wilfried Schulz (Generalintendant u. Festivalintendant Theater der Welt 2021)
- Forum Transregionale Studien, Andreas Eckert (Vorstandsvorsitzender)
- Münchner Kammerspiele, Barbara Mundel (Intendantin)
- Nationaltheater Mannheim, Christian Holtzhauer (Schauspielintendant)
- Schauspiel Köln, Stefan Bachmann (Intendant)
- Staatsschauspiel Dresden, Joachim Klement (Intendant)
- Theater Krefeld-Mönchengladbach, Michael Grosse (Generalintendant)
- Thalia Theater, Joachim Lux (Intendant Thalia Theater u. Präsident des Deutschen Zentrums des Internationalen Theaterinstituts (ITI))
- Völkerkunde Museen in Leipzig, Dresden und Herrnhut, Léontine Meijer-van Mensch (Leiterin)
- Württembergischer Kunstverein, Hans D. Christ und Iris Dressler (Direktoren)
Der Arbeitskreis dankt für fachlichen Rat und Diskussionsbeiträge:
- Aleida Assmann (Professorin em. für Anglistik und Allgemeine Literaturwissenschaft)
- Stephan Detjen (Journalist)
- Emily Dische-Becker (Journalistin)
- Anselm Franke (Kurator)
- Andreas Görgen
- Wolf Iro (Kulturmanager und Autor)
- Wolfgang Kaleck
- Christoph Möllers (Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie)
- Michael Wildt (Professor für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus)
Statement by the »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit«
As representatives of public cultural and research institutions in Germany, we share a mandate from the state to promote arts and culture, historical research and democratic education and to make these accessible to the general public. Toward this end, we rely on a public sphere that welcomes controversial debates in accordance with the norms of the German constitution. We are further committed to paying particular attention to marginalized and disregarded voices that stand for cultural diversity and critical perspectives. At the center of our initiative lies a common struggle against antisemitism, racism, right-wing extremism and any form of violent religious fundamentalism.
Today, a specific challenge lies in the responsibility to convey the particularities of the German past – which is characterized by the singular genocide of European Jews, on the one hand, and, by a late and relatively hesitant confrontation with Germany’s colonial history, on the other – to our cooperation partners around the world, so that we can work together toward a common present and future. This also entails an active commitment to heeding a diversity of Jewish positions and an openness toward non-European perspectives. It is unproductive, even detrimental to the democratic public sphere to exclude vital voices from critical dialogue, as occurred in the debate surrounding Achille Mbembe earlier this year. Germany‘s historical responsibility should not lead to a general delegitimization of other historical experiences of violence and oppression, neither morally nor politically. Their contestation and examination must be tenable especially in the publicly-funded cultural and discursive realms. Against this background, the application of the parliamentary BDS resolution by the Bundestag is cause for great concern. We reject the BDS boycott of Israel since we consider cultural and scientific exchange to be essential. At the same time, we consider the logic of counter-boycott, triggered by the parliamentary anti-BDS resolution, to be dangerous. By invoking this resolution, accusations of antisemitism are being misused to push aside important voices and to distort critical positions.
For this reason, we have established the »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit« (world-openness) to consolidate our expertise and efforts in order to defend a climate of diverse voices, critical reflection and an appreciation of difference. The name is a reference to Article 5, Paragraph 3 of Germany’s Basic Law, which guarantees freedom of the arts and sciences. Weltoffenheit (world-openness), as we understand it, requires a political aesthetic of difference that understands alterity as a democratic asset, and art and education as spaces which should tolerate ambivalence and permit divergent views. This includes guaranteeing open space for a diversity of voices and critically confronting one’s own privileged position as an implicit norm.
We stand in defence of a world-open society that will struggle for the equality of all people through the rule of law and public discourse, allowing for dissent and multi-layered solidarities. It is this foundation which permits the arts and sciences to continue to exercise their original purpose: to critically reflect on our reigning social orders while remaining open to alternative visions for our shared world.
Today, a specific challenge lies in the responsibility to convey the particularities of the German past – which is characterized by the singular genocide of European Jews, on the one hand, and, by a late and relatively hesitant confrontation with Germany’s colonial history, on the other – to our cooperation partners around the world, so that we can work together toward a common present and future. This also entails an active commitment to heeding a diversity of Jewish positions and an openness toward non-European perspectives. It is unproductive, even detrimental to the democratic public sphere to exclude vital voices from critical dialogue, as occurred in the debate surrounding Achille Mbembe earlier this year. Germany‘s historical responsibility should not lead to a general delegitimization of other historical experiences of violence and oppression, neither morally nor politically. Their contestation and examination must be tenable especially in the publicly-funded cultural and discursive realms. Against this background, the application of the parliamentary BDS resolution by the Bundestag is cause for great concern. We reject the BDS boycott of Israel since we consider cultural and scientific exchange to be essential. At the same time, we consider the logic of counter-boycott, triggered by the parliamentary anti-BDS resolution, to be dangerous. By invoking this resolution, accusations of antisemitism are being misused to push aside important voices and to distort critical positions.
For this reason, we have established the »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit« (world-openness) to consolidate our expertise and efforts in order to defend a climate of diverse voices, critical reflection and an appreciation of difference. The name is a reference to Article 5, Paragraph 3 of Germany’s Basic Law, which guarantees freedom of the arts and sciences. Weltoffenheit (world-openness), as we understand it, requires a political aesthetic of difference that understands alterity as a democratic asset, and art and education as spaces which should tolerate ambivalence and permit divergent views. This includes guaranteeing open space for a diversity of voices and critically confronting one’s own privileged position as an implicit norm.
We stand in defence of a world-open society that will struggle for the equality of all people through the rule of law and public discourse, allowing for dissent and multi-layered solidarities. It is this foundation which permits the arts and sciences to continue to exercise their original purpose: to critically reflect on our reigning social orders while remaining open to alternative visions for our shared world.
Pressekontakt / Press contact: SteinbrennerMüller Kommunikation weltoffenheit@steinbrennermueller.de