»Mein Kopf ist ein leerer Tanzsaal« — Drei Fragen an die Regisseurin Nora Schlocker, die Büchners »Leonce und Lena« mit Kindern und Jugendlichen inszenieren wird
— von Birgit Lengers
Was reizt dich daran, ein Stück, das Büchner 1836 mit 22 Jahren für einen Literaturwettbewerb geschrieben hat, heute auf die Bühne zu bringen?
Die Sprache ist fantastisch, sie ist einerseits hochphilosophisch und andererseits ganz konkret. Es braucht da gar keine Transformationsarbeit, man kann die Worte einfach so sagen. Der Text ist als »Lustspiel« gekennzeichnet, und das ist er auch – er lädt ein, lustvoll zu spielen und dann wiederum die Leere auszuhalten. An die Rollenzuschreibungen und die krass unterschiedlichen Redeanteile der männlichen und weiblichen Figuren müssen wir aber ran, das geht so gar nicht. Vielleicht muss man die Geschlechtlichkeit der Figuren auch ganz auflösen. Da bin ich sehr gespannt.
Im zweiten Akt ist Leonce vor der drohenden Heirat aus dem väterlichen Schloss in die Welt geflohen und sitzt klagend mit seinem Kumpel Valerio in einem Wirtshausgarten: »Ich bin so jung, und die Welt ist so alt. Ich bekomme manchmal eine Angst um mich und könnte mich in eine Ecke setzen und heiße Tränen weinen aus Mitleid mit mir.« Findet sich in diesen Sätzen ein Lebensgefühl der Jugend heute wieder?
Mich berührt Leonces und Lenas umfassende Teilnahmslosigkeit, ihre Distanz zum Leben. In diesem Rückzug sehe ich schon eine Parallele zu einem heutigen Lebensgefühl: »Was kann man angesichts der großen Krisen schon tun?«, fragen sich die Doomer, eine junge Generation, die pessimistisch in die Zukunft blickt, im Gegensatz zu den fortschrittsaffinen Boomern. Liegt darin wirklich ein Schmerz oder nicht eher eine Taubheit? Wir haben so viel Angst vor der Zukunft und sprechen immer von Krisen, aber dieser Text hat trotz seiner Tiefe eine geradezu unheimliche Leichtigkeit und spielerische Virtuosität. Die Figuren sind in ihrer Verweigerung zu funktionieren schon über eine gewisse Grenze gegangen, und dort hört die Angst auf. Diese desillusionierte Freiheit, diese Unverbindlichkeit und Haltlosigkeit beobachte ich bei jungen Menschen, und manchmal finde ich sie anziehend oder provozierend, aber sie macht mir auch Angst. Muss man um diese Jugend Angst haben oder eher vor ihrem Nihilismus?
Auf der anderen Seite ist da eine Vaterfigur, ein König, dem die Welt wegrutscht, dessen Kreise immer enger werden, bis er nur noch um sich selbst kreist. Sehr bezeichnend, dass er sich einen Knoten ins Taschentuch machen muss, um sich an sein Volk zu erinnern. Beide Generationen verweigern sich gegenüber der Verantwortung. Sie wollen – die eine am Anfang, die andere am Ende ihres Lebens – nicht Teil des Systems sein. Das ist eine bemerkenswerte Spiegelung. Mich beschäftigt sehr, was von dieser Welt bleibt und was wir, die wir jetzt verantwortlich sind, an die nächsten Generationen weitergeben.
Der Schriftsteller Heiner Müller hat über das Stück gesagt, es gebe darin nur den leeren Raum, ein Vakuum, in dem keine Bewegung eine Richtung oder einen Sinn habe. Hast du eine räumliche Fantasie zu dem Stück?
Für mich beschreibt das Stück einen Gedankenraum, einen Ich-Raum, in dem die Figuren, wie unter einem Brennglas ausgestellt, unserem Blick ausgesetzt sind. Mir gefällt das Bild, wie Leonce am Anfang des Stücks eine Handvoll Sand in die Luft wirft und versucht, die Sandkörner mit dem Handrücken wieder aufzufangen. Das hat die Leichtigkeit und das Laisser-faire eines Kinderspiels und ist auch ein Sinnbild für eine Zeit, die außer Kraft gesetzt ist. Es gibt keine Koordinaten, an denen man sich orientieren kann. Die Figuren befinden sich in einer inneren wie äußeren Leere. Die Dynamik ist auch keine dramatische, es sind Kreisbewegungen. Besonders interessant ist natürlich die Grenze zum Publikum. Die vierte Wand zum Zuschauer:innenraum ist absolut offen. Es wird spannend sein, zu entdecken, wie nah die Figuren dem Publikum kommen können. Sehr nah, hoffe ich!
Die Sprache ist fantastisch, sie ist einerseits hochphilosophisch und andererseits ganz konkret. Es braucht da gar keine Transformationsarbeit, man kann die Worte einfach so sagen. Der Text ist als »Lustspiel« gekennzeichnet, und das ist er auch – er lädt ein, lustvoll zu spielen und dann wiederum die Leere auszuhalten. An die Rollenzuschreibungen und die krass unterschiedlichen Redeanteile der männlichen und weiblichen Figuren müssen wir aber ran, das geht so gar nicht. Vielleicht muss man die Geschlechtlichkeit der Figuren auch ganz auflösen. Da bin ich sehr gespannt.
Im zweiten Akt ist Leonce vor der drohenden Heirat aus dem väterlichen Schloss in die Welt geflohen und sitzt klagend mit seinem Kumpel Valerio in einem Wirtshausgarten: »Ich bin so jung, und die Welt ist so alt. Ich bekomme manchmal eine Angst um mich und könnte mich in eine Ecke setzen und heiße Tränen weinen aus Mitleid mit mir.« Findet sich in diesen Sätzen ein Lebensgefühl der Jugend heute wieder?
Mich berührt Leonces und Lenas umfassende Teilnahmslosigkeit, ihre Distanz zum Leben. In diesem Rückzug sehe ich schon eine Parallele zu einem heutigen Lebensgefühl: »Was kann man angesichts der großen Krisen schon tun?«, fragen sich die Doomer, eine junge Generation, die pessimistisch in die Zukunft blickt, im Gegensatz zu den fortschrittsaffinen Boomern. Liegt darin wirklich ein Schmerz oder nicht eher eine Taubheit? Wir haben so viel Angst vor der Zukunft und sprechen immer von Krisen, aber dieser Text hat trotz seiner Tiefe eine geradezu unheimliche Leichtigkeit und spielerische Virtuosität. Die Figuren sind in ihrer Verweigerung zu funktionieren schon über eine gewisse Grenze gegangen, und dort hört die Angst auf. Diese desillusionierte Freiheit, diese Unverbindlichkeit und Haltlosigkeit beobachte ich bei jungen Menschen, und manchmal finde ich sie anziehend oder provozierend, aber sie macht mir auch Angst. Muss man um diese Jugend Angst haben oder eher vor ihrem Nihilismus?
Auf der anderen Seite ist da eine Vaterfigur, ein König, dem die Welt wegrutscht, dessen Kreise immer enger werden, bis er nur noch um sich selbst kreist. Sehr bezeichnend, dass er sich einen Knoten ins Taschentuch machen muss, um sich an sein Volk zu erinnern. Beide Generationen verweigern sich gegenüber der Verantwortung. Sie wollen – die eine am Anfang, die andere am Ende ihres Lebens – nicht Teil des Systems sein. Das ist eine bemerkenswerte Spiegelung. Mich beschäftigt sehr, was von dieser Welt bleibt und was wir, die wir jetzt verantwortlich sind, an die nächsten Generationen weitergeben.
Der Schriftsteller Heiner Müller hat über das Stück gesagt, es gebe darin nur den leeren Raum, ein Vakuum, in dem keine Bewegung eine Richtung oder einen Sinn habe. Hast du eine räumliche Fantasie zu dem Stück?
Für mich beschreibt das Stück einen Gedankenraum, einen Ich-Raum, in dem die Figuren, wie unter einem Brennglas ausgestellt, unserem Blick ausgesetzt sind. Mir gefällt das Bild, wie Leonce am Anfang des Stücks eine Handvoll Sand in die Luft wirft und versucht, die Sandkörner mit dem Handrücken wieder aufzufangen. Das hat die Leichtigkeit und das Laisser-faire eines Kinderspiels und ist auch ein Sinnbild für eine Zeit, die außer Kraft gesetzt ist. Es gibt keine Koordinaten, an denen man sich orientieren kann. Die Figuren befinden sich in einer inneren wie äußeren Leere. Die Dynamik ist auch keine dramatische, es sind Kreisbewegungen. Besonders interessant ist natürlich die Grenze zum Publikum. Die vierte Wand zum Zuschauer:innenraum ist absolut offen. Es wird spannend sein, zu entdecken, wie nah die Figuren dem Publikum kommen können. Sehr nah, hoffe ich!
Besetzung
MitRaphael Abilgaard, Lucie von Chamier, Adrian Geulen, Fynn Gregorius, Lotte Greiffenhagen, Sharjil Khawaja, Maxim Kirsa-Straubel, Robert Meyer Garcia, Julian Müller-Landsvik, Timuçin Ökmen, Maja Pindek Rabrenovic, Yeva Portnova, Elias Salman Dast Mozeh, Helena Schön, Amelie Wilkens
König Peter vom Reiche PopoHartmut Misgeld / Barbara Tepe
RegieNora Schlocker
Bühne und KostümJana Findeklee und Joki Tewes
KostümMaria Lucía Otálora
MusikMarco Girardin
ChoreografieSabina Perry
DramaturgieBirgit Lengers
Termine
Mi, 06.12. / 19:00
Öffentliche Probe/Voraufführung
Stadt:Kollektiv
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D'haus - Düsseldorfer Schauspielhaus, Junges Schauspiel, Stadt:Kollektiv
Gustaf-Gründgens-Platz 1, 40211 Düsseldorf
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Schauspielhaus — Kleines Haus
Sa, 09.12. / 20:00
Premiere
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Di, 19.12. / 20:00
Stadt:Kollektiv
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Do, 18.01. / 20:00
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Schauspielhaus — Kleines Haus
So, 21.01. / 18:00
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Sa, 03.02. / 20:00
Stadt:Kollektiv
frühbucher
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Schauspielhaus — Kleines Haus
Di, 20.02. / 20:00
Stadt:Kollektiv
frühbucher
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