Lokomotive
Armin Petras sieht in »Dantons Tod« die künftigen Revolutionen vorgezeichnet und freut sich über den Absolutheitsanspruch eines 23-Jahrigen.
was mich fasziniert beim wiederlesen von büchner, ist die absolutheit eines 23-jährigen ich erinnere mich daran, einmal genauso alles gewusst und verstanden zu haben / diesen weltkreis durchschritten zu haben / nur leider ohne so ein stück zu hinterlassen / mich freut dieser anspruch büchners, einfach über alles schreiben zu können / ein zeitbild der gegenwart, welches weder ein zeitbild büchners noch das der 1789er war, aber eben irgendetwas dazwischen / sartres »schmutzige hände«, camus’ »die gerechten«, aber auch seghers’/müllers »auftrag« sind hier schon vorgezeichnet / vorgezeichnet sind die muster vieler folgender revolutionen und veränderungsbewegungen / ihr aufbruch / ihre notwendigkeit / ihre äußeren umstände / ihre krisen und deren meisterungen sowie ihre schließlichen todesstunden / vorgezeichnet sind aber auch das nebeneinander der normalen menschen mit ihren privaten krisen und freuden und die hybris und der metabolismus der anderen / der kämpfer mahner rufer / der menschen, die zum jeweiligen zeitpunkt der geschichte genau zu wissen meinen, wie die welt auszusehen hat, damit sie besser funktioniert, und die vieles, manchmal alles dafür tun, arbeiten lieben töten, dass diese fiktion einmal wirklichkeit wird / es gibt die interessante äußerung lenins von den revolutionen als den lokomotiven der geschichte und die nicht weniger interessante erwiderung walter benjamins, dass ebenjene revolutionen eher notbremsen seien / immer weniger interessiert mich, wer recht hat, immer mehr die mechanismen dieser abläufe / wann wird aus druck stärke / wann zerfällt diese stärke wieder in beliebigkeit oder wird zermalmt vom nächsten historischen anlauf, das richtige richtig in angriff zu nehmen / ebenso wenig wie ich in der lage bin, richtiges und falsches handeln bewerten zu wollen, interessieren mich moralische fragen / hier bin ich mit büchner am ehesten einer meinung, es gibt keine guten und schlechten menschen, nur epikuräer, größere und kleinere, und »jeder näht sich das kleid seines lebens nach seiner fasson, so wie es ihm am besten zu passen scheint, und wenn zu diesem kleid wie bei danton das fallbeil gehört, ist es eben so« / wie wunderbar ist es doch, dass jegliches seine zeit hat / steine versammeln und steine verstreuen / und wenn einer jung stirbt, sagen die leute, es war zu früh, dass er geht / aber war das bei büchner wirklich der fall oder bei danton / ist es nicht einfach so, dass jedes lebewesen seinen rhythmus und seine eigenen energiewellen hat / seepferdchen zum beispiel haben täglich bis zu zwanzig wechselnde geschlechtspartner / seeadler sind ihr leben lang mit einem partner zusammen, und wenn er stirbt, bleiben sie allein / gott, oder wie darwin sagt die natur, hat das schon alles gut eingerichtet / es geht doch eher darum, wie max frisch sagt, das eigene ich zu erkennen, und das viel schwerere, dieses dann auch anzuerkennen / robespierre muss verzweifelnd recht behalten, genau wie danton sich selbst lachend opfern muss / es ist der lauf der geschichte / und ich bin mir sehr sicher, es wird nie nichts besser / es wird nur immer anders, und zwar jeden tag jede stunde jede sekunde, und was ich höchstens predigen mag, ist wachheit oder besser aufmerksamkeit den dingen gegenüber/ zum beispiel gegenüber den aktuellen kriegen und den frontverläufen / foucault sagte dazu, jeden morgen, wenn du aufstehst, überlege, auf welcher seite der front du dich befindest und wie deine armee eigentlich heißt und ob du wirklich sicher bist, ob dieser kampf dein kampf ist
man / ich habe schon in vielen armeen gestanden und die meisten kämpfe verloren / aber darum geht es nicht / es geht wie bei jedem boxer nur darum, wieder aufzustehen und weiterzumachen / oder aber manchmal auch liegenzubleiben und abzuwarten und dem ringrichter zuzuhören, wie er dich auszählt / und dann bei 5 oder 6 oder spätestens 7 zu träumen zu beginnen vom aufstehen, vom weiterkämpfen und vom siegen in der nächsten schlacht / und dieser feldzug ist vielleicht gar keiner, sondern nur eine idee / etwas zu erleben vielleicht oder den sternen näher zu kommen oder was marx für glück hält, nämlich sich selbst seinen fähigkeiten nach zu verausgaben.
man / ich habe schon in vielen armeen gestanden und die meisten kämpfe verloren / aber darum geht es nicht / es geht wie bei jedem boxer nur darum, wieder aufzustehen und weiterzumachen / oder aber manchmal auch liegenzubleiben und abzuwarten und dem ringrichter zuzuhören, wie er dich auszählt / und dann bei 5 oder 6 oder spätestens 7 zu träumen zu beginnen vom aufstehen, vom weiterkämpfen und vom siegen in der nächsten schlacht / und dieser feldzug ist vielleicht gar keiner, sondern nur eine idee / etwas zu erleben vielleicht oder den sternen näher zu kommen oder was marx für glück hält, nämlich sich selbst seinen fähigkeiten nach zu verausgaben.
Besetzung
Georg DantonWolfgang Michalek
Camille DesmoulinsHenning Flüsloh
LacroixKilian Land
Hérault-SéchellesSerkan Kaya
LegendreKai Götting
Julie, Dantons GattinCaroline Adam Bay
Lucile, Gattin des Camille DesmoulinsFelicia Chin-Malenski
RobespierreLieke Hoppe
Monsieur RobespierreChristopher Eckert
St. Just / Marion und SusanneCathleen Baumann
Collot d’HerboisSophia Schiller
Herman, Präsident des RevolutionstribunalesAnna-Sophie Friedmann
Simon, SouffleurJohann Jürgens
Rosalie, sein WeibMadeline Gabel
Soldat / General DillonGunnar Teuber
Bürger MercierMarkus Danzeisen
Bürger GuittardMiguel Abrantes Ostrowski
Toussaint Louverture, ein ehemaliger SklaveRon Iyamu
Olympe de GougesEva Lucia Grieser
Marquise de la Tour du PinTino Julian Zihlmann
RegieArmin Petras
BühneOlaf Altmann
KostümAnnette Riedel
VideoClemens Walter
LichtNorman Plathe-Narr
ChoreografieDenis Kuhnert
DramaturgieFelicitas Zürcher
Dauer
3 Stunden, 15 Minuten — eine Pause
Liebe Lehrer*innen, wenn Sie weitere Informationen zu dieser Inszenierung wünschen, wenden Sie sich bitte an die Theaterpädagogin Saliha Shagasi unter 0211. 85 23-714 oder saliha.shagasi@dhaus.de