Typisch Jungs. Typisch Mädchen.
— Die schwedische Regisseurin Farnaz Arbabi und der Komponist Matts Johan Leenders im Gespräch über »Don Giovanni« — Die Fragen stellte Kirstin Hess

Foto: David Baltzer
Don Giovanni oder spanisch Don Juan gilt in der europäischen Dichtung als Archetyp eines Frauenhelden. Heute ist »Don Giovanni« vor allem durch Mozarts Oper bekannt. Was macht den Stoff für ein junges Schauspielpublikum interessant?
Arbabi — Die Autoren Jens Ohlin und Hannes Meidal haben Jugendliche zu ihren Protagonist*innen gemacht und die Handlung in eine Schulumgebung verlegt. Es geht um soziale Normen, um Gender, um die Rollen, die uns gegeben werden, und wie wir in typisches Mädchen- und Jugenverhalten sozialisiert werden. Und darum, was geschieht, wenn wir diese Regeln brechen. Im Stück ist es die neue Schülerin Elvira, die die Regeln befragt und damit die Institution, die Gesellschaft oder einfach unsere Gewohnheiten ins Wanken bringt. Die Schule dient als Metapher für eine Gesellschaft, in der die Lehrerin, die einzige erwachsene Figur im Stück, die Struktur aufrechterhält. Ihre Mission ist der Status quo.
Leenders — Unser Don Giovanni, der Jugendliche Johan, versucht herauszufinden, wie er ein Mann sein kann – und darüber legen sich die Projektionen der anderen, die von ihm erwarten, das Rollenbild eines Klassenhelden zu erfüllen. Sein Freund Leporello ist so auf dieses Muster fixiert, dass er ihn aktiv in die Alphatier-Rolle hineindrängt.
Arbabi — Es ist interessant, wie dominant das Bild vom starken Mann heute noch ist. Elvira lässt sich von Johan nicht beeindrucken, das wiederum führt dazu, dass er sich fragt, warum er ist, wie er ist. Es gibt eine Szene, in der er realisiert, dass auch er nur entsprechend den Erwartungen handelt, die in ihn gesetzt werden. Dass ihm der Mut zur Freiheit fehlt – dazu, zu sein, was er sein könnte. Leporello wiederum spürt, dass er die Rolle des Klassenhelden niemals erfüllen wird, und versucht, wenigstens der Mann neben diesem coolen Typen zu sein. Mich berührt die Metaebene unseres Leporello, der die Oper »Don Giovanni« liebt und bei allen Fragen überlegt, wie diese Figur sich wohl verhalten würde. »Don Giovanni« erzählt eine relevante Geschichte für Heranwachsende, die gerade ihre eigene Identität suchen und finden.
Arbabi — Die Autoren Jens Ohlin und Hannes Meidal haben Jugendliche zu ihren Protagonist*innen gemacht und die Handlung in eine Schulumgebung verlegt. Es geht um soziale Normen, um Gender, um die Rollen, die uns gegeben werden, und wie wir in typisches Mädchen- und Jugenverhalten sozialisiert werden. Und darum, was geschieht, wenn wir diese Regeln brechen. Im Stück ist es die neue Schülerin Elvira, die die Regeln befragt und damit die Institution, die Gesellschaft oder einfach unsere Gewohnheiten ins Wanken bringt. Die Schule dient als Metapher für eine Gesellschaft, in der die Lehrerin, die einzige erwachsene Figur im Stück, die Struktur aufrechterhält. Ihre Mission ist der Status quo.
Leenders — Unser Don Giovanni, der Jugendliche Johan, versucht herauszufinden, wie er ein Mann sein kann – und darüber legen sich die Projektionen der anderen, die von ihm erwarten, das Rollenbild eines Klassenhelden zu erfüllen. Sein Freund Leporello ist so auf dieses Muster fixiert, dass er ihn aktiv in die Alphatier-Rolle hineindrängt.
Arbabi — Es ist interessant, wie dominant das Bild vom starken Mann heute noch ist. Elvira lässt sich von Johan nicht beeindrucken, das wiederum führt dazu, dass er sich fragt, warum er ist, wie er ist. Es gibt eine Szene, in der er realisiert, dass auch er nur entsprechend den Erwartungen handelt, die in ihn gesetzt werden. Dass ihm der Mut zur Freiheit fehlt – dazu, zu sein, was er sein könnte. Leporello wiederum spürt, dass er die Rolle des Klassenhelden niemals erfüllen wird, und versucht, wenigstens der Mann neben diesem coolen Typen zu sein. Mich berührt die Metaebene unseres Leporello, der die Oper »Don Giovanni« liebt und bei allen Fragen überlegt, wie diese Figur sich wohl verhalten würde. »Don Giovanni« erzählt eine relevante Geschichte für Heranwachsende, die gerade ihre eigene Identität suchen und finden.

Foto: David Baltzer
Mozarts Bearbeitung setzt auf Don Giovanni als klassischen Frauenhelden und stellt sein Vorgehen lustvoll durch die anderen Figuren infrage. Gleichzeitig widersetzt der Stoff sich einer klassischen Einordnung in Tragödie oder Komödie. Das niedere Handeln des adligen Don Giovanni widerspricht der Form der Tragödie, in der Adlige vorbildhaft zu agieren hatten. Johan, du kennst Mozarts Musik gut. Wie hast du deine eigene Komposition entwickelt?
Leenders — Mozarts Musik bezieht sich auf das damalige Gesellschafts und Wertesystem. Wir adaptieren nicht Mozarts Blick auf die Welt und nicht den seines Textdichters Lorenzo Da Ponte, nutzen aber musikalische Motive der bekannten Oper für unsere moderne Version. Ich fragte mich, wie ich die Charaktere musikalisch darstellen kann. Den Figuren in unserem Stück ist die Oper bekannt. Ich wollte Mozarts Motive verwenden, um eine Verbindung zu schaffen. So wird beispielsweise die Champagnerarie aus »Don Giovanni« zum zentralen Stück für unseren Jugendlichen Johan. – Dass eine Figur so heißt wie ich, verwirrt mich immerzu. – Die musikalische Form ist aber ganz heutig, da steht eine Popballade neben einem Punksong.
Arbabi — Deine Herangehensweise, Mozarts Melodien zu nutzen, Themen herauszupicken und eine neue musikalische Geschichte zu kreieren, gleicht dem Arbeitsprozess der Dramatiker in ihrer Adaption. In ihren Theatertext haben sie nur einen einzigen Song geschrieben, aber wir werden viel mehr Musik und Songs bringen. Ich möchte eine stärkere Verbindung zu Mozarts Geschichte herstellen.
Leenders — Mozarts Musik bezieht sich auf das damalige Gesellschafts und Wertesystem. Wir adaptieren nicht Mozarts Blick auf die Welt und nicht den seines Textdichters Lorenzo Da Ponte, nutzen aber musikalische Motive der bekannten Oper für unsere moderne Version. Ich fragte mich, wie ich die Charaktere musikalisch darstellen kann. Den Figuren in unserem Stück ist die Oper bekannt. Ich wollte Mozarts Motive verwenden, um eine Verbindung zu schaffen. So wird beispielsweise die Champagnerarie aus »Don Giovanni« zum zentralen Stück für unseren Jugendlichen Johan. – Dass eine Figur so heißt wie ich, verwirrt mich immerzu. – Die musikalische Form ist aber ganz heutig, da steht eine Popballade neben einem Punksong.
Arbabi — Deine Herangehensweise, Mozarts Melodien zu nutzen, Themen herauszupicken und eine neue musikalische Geschichte zu kreieren, gleicht dem Arbeitsprozess der Dramatiker in ihrer Adaption. In ihren Theatertext haben sie nur einen einzigen Song geschrieben, aber wir werden viel mehr Musik und Songs bringen. Ich möchte eine stärkere Verbindung zu Mozarts Geschichte herstellen.

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