Melodisch, rechtwinklig und schmeichelnd
Lara Foot inszeniert »Othello« mit dem Düsseldorfer Ensemble und einem Gast aus Südafrika
— von Robert Koall

Bongile Mantsai sitzt auf der Probebühne im Düsseldorfer Central und spricht seine Rolle – Othello – in Shakespeares Worten auf Englisch. Unaufdringlich dem Rhythmus folgend, noch vorsichtig tastend, denn es ist einer der ersten Probentage und alles noch neu und zu entdecken auf dem Kontinent Shakespeare. Dann – er wendet sich an Desdemona, gespielt von Pauline Kästner – wechselt er die Sprache. Schnalz- und Klicklaute mischen sich nun in den Text. Bongile Mantsai spricht IsiXhosa, die zweithäufigste Muttersprache in Südafrika. Jago, Othellos Gegenspieler, kommt dazu. Wolfgang Michalek spielt die Rolle auf Deutsch (in der Übersetzung von Erich Fried) und, wie er später lachend sagen wird, in »absichtlich eher schlechtem Englisch«.
Dieses aufregende Sprachengewirr ist eine Idee von Lara Foot. Die südafrikanische Regisseurin und Autorin ist dem Düsseldorfer Publikum bekannt seit ihrer bildmächtigen Inszenierung von »Leben und Zeit des Michael K.« nach J. M. Coetzee, die im Rahmen des Festivals Theater der Welt entstand. Seit 2009 leitet Lara Foot in Kapstadt das Baxter Theatre Centre, das sie mit einer ausgeprägten Stilistik und gesellschaftlich und politisch engagiertem Programm zu einer der wichtigsten Bühnen Südafrikas entwickelte. Einer ihrer engsten künstlerischen Partner ist seit Jahren der Schauspieler Bongile Mantsai – ebenfalls einer der profiliertesten Künstler des Landes.
Dass sie nun mit ihm gemeinsam in Düsseldorf arbeitet, war eine Idee, die sich für Foot wie von selbst und absolut folgerichtig ergab. Sie suchte nach einem Stoff, der Reibung erzeugt. Jene Reibung, die sie auch spürt, wenn sie in Europa inszeniert, zwischen zwei Kulturräumen, zwischen zwei Kontinenten mit einer komplizierten und abgründigen Geschichte.
Und so inszeniert sie, selbst Autorin und Bearbeiterin von Stücken, Shakespeares »Othello« als Erzählung, die von Europa und Afrika berichtet, von den Wurzeln eines eurozentrischen Rassismus in der Zeit der Kolonialisierung.
Lara Foot wollte, dass die beiden Länder, Deutschland und Südafrika, einander wirklich begegnen. Es war für sie daher von Beginn an sonnenklar, dass sie Bongile Mantsai einladen würde, mit ihr nach Düsseldorf zu kommen. Er nahm die Einladung an – in der Saison 2022/2023 ist er am D’haus Artist in Residence.
Bongile Mantsai ist es gewohnt, komplizierte Figuren zu spielen und sich komplexer Themen anzunehmen. Nach dem Film »The Wound«, der eine queere Geschichte vor dem Hintergrund alter Xhosa-Rituale erzählt, musste er sich zwei Monate lang aus der Öffentlichkeit zurückziehen, um nicht Opfer homophober Gewalt zu werden. Er weiß um die spezifische Kompliziertheit des »Othello«-Stoffes, der eine Erzählung auch von Rassismus ist, er weiß um die europäische Debatte, die sich um die Reproduktion rassistischer Stereotype dreht. Aber man müsse angstfrei sein, sagt Mantsai. Die Angst lähme die Kunst, und seine Mission sei es, auf der Bühne von der Welt zu erzählen, auch von ihren Abgründen, ohne Angst. »Ich möchte das gerne als Schauspieler tun – nicht als Schwarzer.« Er wolle etwas herausfinden, nicht alles vorher wissen.
Lara Foot und ihr Ensemble erzählen »Othello« trotz aller historischen Aufgeladenheit nicht als vordergründig politische Geschichte. Sondern, wie ja eigentlich immer bei Shakespeare, als die tragische Geschichte einer scheiternden Liebe. Sie wird zerstört durch Neid, Misstrauen, Eifersucht, Hass; von Menschen, die es nicht ertragen, mit dem vermeintlich Anderen, dem Fremden konfrontiert zu sein. Und selten wurde das vermeintlich Fremde und Andere so deutlich hörbar wie auf dieser Probebühne im Central, wo sich die Sprachräume mischen: Der elegant mäandernde Spaziergang der englischen Melodie wird gekreuzt von einem sehr rechtwinkligen Deutsch, das noch jedes Sentiment in starke Konsonanten packt. Und hindurch fließt weich und schmeichelnd, schnalzend und ploppend IsiXhosa, das hier – ausschließlich zwischen Desdemona und Othello gesprochen – zur Sprache der Liebe wird.
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Dass sie nun mit ihm gemeinsam in Düsseldorf arbeitet, war eine Idee, die sich für Foot wie von selbst und absolut folgerichtig ergab. Sie suchte nach einem Stoff, der Reibung erzeugt. Jene Reibung, die sie auch spürt, wenn sie in Europa inszeniert, zwischen zwei Kulturräumen, zwischen zwei Kontinenten mit einer komplizierten und abgründigen Geschichte.
Und so inszeniert sie, selbst Autorin und Bearbeiterin von Stücken, Shakespeares »Othello« als Erzählung, die von Europa und Afrika berichtet, von den Wurzeln eines eurozentrischen Rassismus in der Zeit der Kolonialisierung.
Lara Foot wollte, dass die beiden Länder, Deutschland und Südafrika, einander wirklich begegnen. Es war für sie daher von Beginn an sonnenklar, dass sie Bongile Mantsai einladen würde, mit ihr nach Düsseldorf zu kommen. Er nahm die Einladung an – in der Saison 2022/2023 ist er am D’haus Artist in Residence.
Bongile Mantsai ist es gewohnt, komplizierte Figuren zu spielen und sich komplexer Themen anzunehmen. Nach dem Film »The Wound«, der eine queere Geschichte vor dem Hintergrund alter Xhosa-Rituale erzählt, musste er sich zwei Monate lang aus der Öffentlichkeit zurückziehen, um nicht Opfer homophober Gewalt zu werden. Er weiß um die spezifische Kompliziertheit des »Othello«-Stoffes, der eine Erzählung auch von Rassismus ist, er weiß um die europäische Debatte, die sich um die Reproduktion rassistischer Stereotype dreht. Aber man müsse angstfrei sein, sagt Mantsai. Die Angst lähme die Kunst, und seine Mission sei es, auf der Bühne von der Welt zu erzählen, auch von ihren Abgründen, ohne Angst. »Ich möchte das gerne als Schauspieler tun – nicht als Schwarzer.« Er wolle etwas herausfinden, nicht alles vorher wissen.
Lara Foot und ihr Ensemble erzählen »Othello« trotz aller historischen Aufgeladenheit nicht als vordergründig politische Geschichte. Sondern, wie ja eigentlich immer bei Shakespeare, als die tragische Geschichte einer scheiternden Liebe. Sie wird zerstört durch Neid, Misstrauen, Eifersucht, Hass; von Menschen, die es nicht ertragen, mit dem vermeintlich Anderen, dem Fremden konfrontiert zu sein. Und selten wurde das vermeintlich Fremde und Andere so deutlich hörbar wie auf dieser Probebühne im Central, wo sich die Sprachräume mischen: Der elegant mäandernde Spaziergang der englischen Melodie wird gekreuzt von einem sehr rechtwinkligen Deutsch, das noch jedes Sentiment in starke Konsonanten packt. Und hindurch fließt weich und schmeichelnd, schnalzend und ploppend IsiXhosa, das hier – ausschließlich zwischen Desdemona und Othello gesprochen – zur Sprache der Liebe wird.
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