Ein emotionales und komplexes Territorium
— Die südafrikanische Regisseurin Lara Foot über »Othello« und ein Theater zwischen den Kontinenten — Die Fragen stellte Robert Koall

Als Regisseurin scheuen Sie sich nicht, große Themen und Stoffe in Angriff zu nehmen – dennoch haben Sie nie ein Drama von Shakespeare inszeniert. Wie kam es, dass Sie sich nun für »Othello« entschieden haben?
Die Frage habe ich mir auch gestellt. Zunächst einmal muss ich in eine Geschichte hineingezogen werden; mehr noch, ich muss komplett verliebt und besessen sein, um einem Stoff gerecht werden zu können. Und obwohl ich von der Poesie und der Philosophie der Werke Shakespeares immer verzaubert war, habe ich ein gewisses Misstrauen gehegt gegenüber der hohen Emotionalität mancher seiner Figuren und den überdramatischen Schlüssen seiner Stücke. Aber seit sich unser Land zur Demokratie hin geöffnet hat, sind diese großen Dramentexte für mich wesentlich interessanter geworden – als Kommentar nicht nur zur südafrikanischen Gesellschaft, sondern zur globalen Gemeinschaft.
Als ich mit meiner Inszenierung »Leben und Zeit des Michael K.« nach Düsseldorf reiste, fielen mir gewisse Ähnlichkeiten zwischen der deutschen und der südafrikanischen Geschichte auf: Sowohl die Apartheid als auch der Zweite Weltkrieg hinterließen jeweils eine Generation, die aus Opfer- wie auch aus Täterkindern bestand und die Folgen der vorangegangenen Katastrophe bewältigen musste. Beide Länder verbindet die anhaltende Herausforderung, institutionellen Rassismus auf ehrliche und produktive Weise zu bekämpfen. Es gibt ein grundsätzliches Verständnis für die Verantwortung, die mit diesem Prozess einhergeht. Ein Verständnis, das – im Hinblick auf Südafrika gesprochen – die Dunkelheit, die wir als weiße Südafrikaner*innen in uns tragen, und den Schmerz, den wir als Schwarze Südafrikaner*innen in uns tragen, mit einschließt. Wir teilen den Mut, es besser machen zu wollen, und das Engagement, mittels Sichtbarmachung und Reflexion zu heilen.
»Othello« war schon immer mein liebstes Shakespeare-Drama; eine Liebesgeschichte, die sowas von tragisch schiefgeht. In meiner Interpretation des Stücks werden institutioneller Rassismus und die Geschichte der Kolonialisierung eine große Rolle spielen; in dieses emotionale und komplexe Territorium möchte ich Othello und Desdemona führen.
Die Frage habe ich mir auch gestellt. Zunächst einmal muss ich in eine Geschichte hineingezogen werden; mehr noch, ich muss komplett verliebt und besessen sein, um einem Stoff gerecht werden zu können. Und obwohl ich von der Poesie und der Philosophie der Werke Shakespeares immer verzaubert war, habe ich ein gewisses Misstrauen gehegt gegenüber der hohen Emotionalität mancher seiner Figuren und den überdramatischen Schlüssen seiner Stücke. Aber seit sich unser Land zur Demokratie hin geöffnet hat, sind diese großen Dramentexte für mich wesentlich interessanter geworden – als Kommentar nicht nur zur südafrikanischen Gesellschaft, sondern zur globalen Gemeinschaft.
Als ich mit meiner Inszenierung »Leben und Zeit des Michael K.« nach Düsseldorf reiste, fielen mir gewisse Ähnlichkeiten zwischen der deutschen und der südafrikanischen Geschichte auf: Sowohl die Apartheid als auch der Zweite Weltkrieg hinterließen jeweils eine Generation, die aus Opfer- wie auch aus Täterkindern bestand und die Folgen der vorangegangenen Katastrophe bewältigen musste. Beide Länder verbindet die anhaltende Herausforderung, institutionellen Rassismus auf ehrliche und produktive Weise zu bekämpfen. Es gibt ein grundsätzliches Verständnis für die Verantwortung, die mit diesem Prozess einhergeht. Ein Verständnis, das – im Hinblick auf Südafrika gesprochen – die Dunkelheit, die wir als weiße Südafrikaner*innen in uns tragen, und den Schmerz, den wir als Schwarze Südafrikaner*innen in uns tragen, mit einschließt. Wir teilen den Mut, es besser machen zu wollen, und das Engagement, mittels Sichtbarmachung und Reflexion zu heilen.
»Othello« war schon immer mein liebstes Shakespeare-Drama; eine Liebesgeschichte, die sowas von tragisch schiefgeht. In meiner Interpretation des Stücks werden institutioneller Rassismus und die Geschichte der Kolonialisierung eine große Rolle spielen; in dieses emotionale und komplexe Territorium möchte ich Othello und Desdemona führen.

»Leben und Zeit des Michael K.« in der Regie von Lara Foot im Großen Haus (Foto: Fiona MacPherson)
Die Titelrolle wird von Bongile Mantsai gespielt. Erzählen Sie uns von ihm und von der gemeinsamen Arbeit.
Bongile gilt als einer der führenden Schauspieler Südafrikas. Er hat mehrere Preise in Film, Fernsehen und Theater gewonnen. Wir haben 2007 zum ersten Mal zusammengearbeitet, an einem Stück namens »Karoo Moose«, das mehrere Jahre lang international tourte. Er ist ein Spieler, der seine Figuren vollständig in sich aufnimmt, und er ist ein Multitalent – als Darsteller, als Bewegungsperformer und als Percussionist. Außerdem ist Bongile ein wunderbarer Mensch und ein echter Teamplayer.
Nachdem Sie in Deutschland und Südafrika gearbeitet haben: Wie würden Sie die Unterschiede zwischen den beiden Theaterwelten beschreiben? Und was haben sie gemeinsam?
Der große Unterschied liegt in der Finanzierung. Unsere Regierung unterstützt die Kunst weder finanziell, noch begegnet sie ihr mit Respekt, so wie es die deutsche Regierung tut. Das Theater in Deutschland hat eine lange, in der Geschichte verankerte Tradition, aus der heraus sich starke Visionen für die Zukunft entwickeln lassen – bei uns herrscht Unordnung. Ähnlichkeiten bestehen im Menschenbild, das das Theater schafft, bei dem es darum geht, eine humane Gesellschaft in all ihrer Komplexität abzubilden. Auch unser Glaube an die weltverändernde Kraft des Theaters ist ähnlich.
Was erhoffen Sie sich, wenn Sie an einer Inszenierung arbeiten? Was ist das Beste, was passieren kann?
Ein Ensemble gleichgesinnter Menschen.
Lara Foot ist mehrfach ausgezeichnete Regisseurin und Autorin sowie künstlerische Leiterin des Baxter Theatre Centre in Kapstadt, Südafrika. Am Düsseldorfer Schauspielhaus inszenierte Sie »Leben und Zeit des Michael K.« im Rahmen des Festivals »Theater der Welt«.
Bongile gilt als einer der führenden Schauspieler Südafrikas. Er hat mehrere Preise in Film, Fernsehen und Theater gewonnen. Wir haben 2007 zum ersten Mal zusammengearbeitet, an einem Stück namens »Karoo Moose«, das mehrere Jahre lang international tourte. Er ist ein Spieler, der seine Figuren vollständig in sich aufnimmt, und er ist ein Multitalent – als Darsteller, als Bewegungsperformer und als Percussionist. Außerdem ist Bongile ein wunderbarer Mensch und ein echter Teamplayer.
Nachdem Sie in Deutschland und Südafrika gearbeitet haben: Wie würden Sie die Unterschiede zwischen den beiden Theaterwelten beschreiben? Und was haben sie gemeinsam?
Der große Unterschied liegt in der Finanzierung. Unsere Regierung unterstützt die Kunst weder finanziell, noch begegnet sie ihr mit Respekt, so wie es die deutsche Regierung tut. Das Theater in Deutschland hat eine lange, in der Geschichte verankerte Tradition, aus der heraus sich starke Visionen für die Zukunft entwickeln lassen – bei uns herrscht Unordnung. Ähnlichkeiten bestehen im Menschenbild, das das Theater schafft, bei dem es darum geht, eine humane Gesellschaft in all ihrer Komplexität abzubilden. Auch unser Glaube an die weltverändernde Kraft des Theaters ist ähnlich.
Was erhoffen Sie sich, wenn Sie an einer Inszenierung arbeiten? Was ist das Beste, was passieren kann?
Ein Ensemble gleichgesinnter Menschen.
Lara Foot ist mehrfach ausgezeichnete Regisseurin und Autorin sowie künstlerische Leiterin des Baxter Theatre Centre in Kapstadt, Südafrika. Am Düsseldorfer Schauspielhaus inszenierte Sie »Leben und Zeit des Michael K.« im Rahmen des Festivals »Theater der Welt«.

»Leben und Zeit des Michael K.« in der Regie von Lara Foot im Großen Haus (Foto: Fiona MacPherson)
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