Q-Tipp #10 – Yaa Gyasi: Heimkehren
Neuentdeckungen | Ausgrabungen | Lieblingsbücher. Die Quarantäne-Tipps der D’haus-Dramaturgie – Ein Beitrag von Corinna Möller
Dieses Buch ist trotz seiner Fiktionalität und Zügen von magischem Realismus so gar nicht zur Realitätsflucht geeignet. Vielleicht finde ich es aber gerade deshalb so empfehlenswert.
Effia und Esi haben dieselbe Mutter, aber Leben, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Ihre Geschichten beginnen im Ghana des 18. Jahrhunderts, wo Effias Stamm die Briten dabei unterstützt, den Sklavenhandel voranzutreiben. Effia wird mit einem Kolonialherren verheiratet und kann ein weitestgehend sicheres Leben als offizielle Zweitfrau in ihrer Heimat führen. Esi wird entführt, in einem Kerker an der Küste zusammen mit unzähligen anderen Afrikaner*innen eingesperrt und als Sklavin in die USA verkauft. Die beiden Schwestern werden sich niemals begegnen, die Leser*innen aber begleiten sie und ihre Nachkommen über acht Generationen bis in die USA der Gegenwart.
Das Leid, das Esi seit dem ersten Tag als Sklavin widerfährt, trägt den Namen Rassismus und scheint unaufhaltsam, es frisst sich wie eine Krankheit weiter durch die Leben ihrer Kinder und Kindeskinder. Aber auch Effias Leben und das ihrer Familie, das Leben im Kolonialismus ist geprägt von Traumata, Unsicherheit und der Suche nach Identität, die mit der immer größer werdenden Macht der Europäer zunehmend verzweifelter wird. Die Dimensionen der Gewalt weißer Herrschaft, der afrikanische und afroamerikanische Menschen seit dem 17. Jahrhundert ausgesetzt sind, diese Realität wird in der fiktionalen Geschichte so eindrücklich, aber nie gänzlich hoffnungslos gezeichnet, mal ganz laut, dann wieder subtil und schön und immer wahnsinnig klug, dass dieses Buch beim Lesen unvermeidlich Spuren hinterlässt, trotz allem farbenfroh und bild- und lehrreicher ist als manches Geschichtsbuch.
Die aktuellen Ereignisse in den USA, die Ermordung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten in Minneapolis, zeigen noch einmal, dass »Heimkehren« zwar größtenteils in der Vergangenheit spielt, aber vor allem von der Gegenwart handelt. Es ist der 2007 erschienene Debütroman der 1989 geborenen ghanaisch-US-amerikanischen Schriftstellerin Yaa Gyasi, für den sie mit Nachwuchspreisen wie dem John Leonard Preis des National Book Critics Circle Award, einem American Book Award und einem der Dayton Literary Peace Prizes ausgezeichnet wurde.
Effia und Esi haben dieselbe Mutter, aber Leben, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Ihre Geschichten beginnen im Ghana des 18. Jahrhunderts, wo Effias Stamm die Briten dabei unterstützt, den Sklavenhandel voranzutreiben. Effia wird mit einem Kolonialherren verheiratet und kann ein weitestgehend sicheres Leben als offizielle Zweitfrau in ihrer Heimat führen. Esi wird entführt, in einem Kerker an der Küste zusammen mit unzähligen anderen Afrikaner*innen eingesperrt und als Sklavin in die USA verkauft. Die beiden Schwestern werden sich niemals begegnen, die Leser*innen aber begleiten sie und ihre Nachkommen über acht Generationen bis in die USA der Gegenwart.
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