Othello

von William Shakespeare in einer Fassung von Lara Foot — Deutsch von Erich Fried mit ergänzten Übersetzungen von Henning Bochert (Deutsch) und Sanele kaNtshingana (isiXhosa)Premiere am 2. September 2022Schauspielhaus, Großes HausSchauspiel

Über das Stück

Lara Foot, südafrikanische Regisseurin und Autorin, ist dem Düsseldorfer Publikum bekannt seit ihrer bildmächtigen Inszenierung von »Leben und Zeit des Michael K.« nach J.M. Coetzee, die im Rahmen des Festivals Theater der Welt entstand. Seit 2009 leitet Lara Foot in Kapstadt das Baxter Theatre Centre, das sie mit einer ausgeprägten Stilistik und gesellschaftlich und politisch engagiertem Programm zu einer der wichtigsten und strahlkräftigsten Bühnen Südafrikas entwickelte.

Einer ihrer engsten künstlerischen Partner seit Jahren ist der Schauspieler Bongile Mantsai – ebenfalls einer der profiliertesten Künstler des Landes. Bongile Mantsai ist in der Spielzeit 2022/23 Artist in Residence am D’haus gewesen. In Lara Foots Inszenierung mit dem Düsseldorfer Ensemble ist er Othello.

Es ist ein Stück, in dem Shakespeare unbarmherzig von der größten denkbaren Tragödie erzählt: der Zerstörung einer großen Liebe. Sie wird zerstört durch Neid, Misstrauen, Eifersucht, Hass; von Menschen, die es nicht ertragen, mit dem vermeintlich Anderen, dem Fremden konfrontiert zu sein. Lara Foot sucht nach den historischen Spuren ebenjenes tief eingeprägten Hasses und findet sie in ihrer Erzählung in den Kolonialkriegen des 19./20. Jahrhunderts.

Besetzung

Othello Bongile Mantsai
Brabantio, Desdemonas Vater Ben Daniel Jöhnk
Cassio, Othellos Leutnant Jonas Friedrich Leon­hardi
Jago, Othellos Fähnrich Wolfgang Michalek
Rodrigo, ein Edelmann Florian Lange
Der Herzog Gunnar Teuber
Lodovico Glenn Goltz
Senator Nils David Bannert
Desdemona Pauline Kästner
Emilia, Jagos Frau Friederike Wagner
Bianca, Cassios Geliebte Blanka Winkler
Soldaten, Bedienstete Nils David Bannert, Stella Maria Köb, Gesa Schermuly
Regie Lara Foot
Bühne und Kostüm Gerhard Marx
Mitarbeit Kostüm Juliane Molitor
Musik Kyle Sheperd
Licht Jean-Mario Bessière
Dramaturgie Robert Koall
Mitarbeit Dramaturgie Miriam Owusu-Tutu

Dauer

3 Stunden — eine Pause

Trailer

Pressestimmen

Die südafrikanische Regisseurin Lara Foot legt in dieser Inszenierung den Fokus auf Othellos Innenleben, will so dem umstrittenen Stoff eine afrikanische Sichtweise hinzufügen. Sie hat das Stück mehrsprachig inszeniert. Sie verlegt das Stück in die Zeit des deutschen Kolonialismus, in die Zeit des Herero-Aufstandes, nach Deutsch-Südwestafrika, in das heutige Namibia. Sie will unseren Blick schärfen, zeigen, welche Schäden der Kolonialismus in der Seele der Menschen hinterlassen hat. Dafür steht dieser »Othello«. Eigene Wurzeln stärken. Eigene Traditionen hervorheben. Damit kann das Selbstbewusstsein der Kolonisierten gestärkt werden. Ihr Othello spricht daher die Bantu-Sprache isiXhosa. Die Muttersprache von Bongile Mantsai. Lara Foots Othello in Düsseldorf erhebt seine Stimme. Er weigert sich, das Bild des wilden Schwarzen zu erfüllen und steigt aus dieser Rolle aus. Shakespeares »Othello« – in Deutschland erhält er eine afrikanische Neuschreibung. In Düsseldorf hat man ihn dekolonisiert.
3sat Kulturdoku »Othello aus Südafrika – Shakespeare am Düsseldorfer Schauspielhaus«
Das Premierenpublikum dankte ausdauernd für einen Abend, der sich aus Shakespeares überzeitlicher Menschenkenntnis ebenso speist wie aus klugem Empfinden für die Gegenwart.
Rheinische Post
Bongile Mantsai ist ein beeindruckender, glamouröser Schauspieler, und Foot erfindet ihm zusätzliche Szenen, etwa beim Gebet oder beim meditativen Spiel auf einem Instrument, die den Militär (und Christen) in einer Art glanzvollen Isolation, fast Innigkeit zeigen.
Süddeutsche Zeitung
Immer wieder fallen [Bongile Mantsais Othello] passende Sätze ein wie von Frantz Fanon, dem Theoretiker des antikolonialen Aufstands: »Schwarz ist kein Mensch. Die schwarze Seele ist ein Kunstprodukt des weißen Mannes.« Othello spricht meist Englisch, Shakespeares Original, selten Deutsch, aber je mehr sich die Beziehungskrise verschärft, spricht er immer öfter isiXhosa, Mantsais Muttersprache. In dem verbalen Gefecht mit Desdemona werden alle drei Sprachen vermischt. Auch Pauline Kästners kampfstarke Desdemona kann ihrem Mann in Xhosa Paroli bieten. Jago ist die Gegenfigur zu dieser vielfach gebrochenen, semi-authentischen Othello-Figur. Er ist der reine Bösewicht, ein Spieler aus Freude an der Bosheit. Wolfgang Michalek spielt mal wieder ein attraktives Ekel, einen gefährlichen Komiker. Lara Foot möchte die Inszenierung auch in Kapstadt zeigen. Für afrikanische Zuschauer*innen hofft sie dabei auf die Zurückgewinnung von »Würde und Heilung«, auch für europäische auf ein »Gefühl von Verbundensein und Heilung«. Heilung durch Dekolonisierung, das ist therapeutisches Theater.
Theater heute
Wenn am Schluss die schwebenden Steine lautstark zu Boden fallen, ist das Urteil gefällt: Black is not a person. Othello schon. Lara Foot und Bongile Mantsai haben ihn aus seinem eigenen Stück befreit. Ein kraftvoller, mitreißender Saisonauftakt in Düsseldorf.
Kölner Stadtanzeiger
Der südafrikanischen Theatermacherin Lara Foot gelingt eine neue Perspektive auf Shakespeares Stück: Sie verlegt es in die Hochphase des europäischen Kolonialismus – mit einer Hauptfigur, die vor den Zuschreibungen ihrer Rolle von der Bühne flüchtet.
nachtkritik
Das Ensemble überzeugt, allen voran Bongile Mantsai, der den Titelhelden leise, aber glaubhaft spielt; ein frommer Mann, der Jago rückhaltlos vertraut und ihm deshalb in die Falle geht. Letzterer ist Wolfgang Michalek, der hier eher als schlitzohriger Komödiant mit reichlich Publikumskontakt agiert. Als seine Frau Emilia, Desdemonas Kammerfrau, bleibt Friederike Wagner als kluge Beobachterin im Gedächtnis. Selbstbewusst und kernig: Pauline Kästner in der Rolle der Desdemona. Im weiteren Verlauf des Abends, spätestens jedoch beim Lied von der Trauerweide, wird deutlich, dass auch viel Zartheit in ihr steckt. Lara Foot inszeniert gut durchdacht, konsequent und stilsicher.
NRZ
Die Schlussszene ist sehr sehr schön. Gerhard Marx hat eine Bühne gebaut, auf der lauter Steine an Seilen vom Himmel hängen und Othello begräbt seine Desdemona und sich selber »bei meinem Volk«, damit wird nochmal deutlich gesagt, es kann eine afrikanische Geschichte sein, es ist in dem Fall eine Schwarze Geschichte.
Deutschlandfunk Kultur